Kategorie: Allgemein

Ein Imperialist des 21. Jahrhunderts

Bundespräsident Köhler hat nun doch mit seinen Äußerungen zu Außenhandel und Krieg Aufsehen erregt. Genau mit jenen Passagen, die der Deutschlandfunk zunächst nicht im Wortlaut verbreitete, wohl aber wir. Doch der ehemalige IWF-Direktor ist kein Imperialist aus dem 19.Jahrhundert. Er erklärt den Zusammenhang von Kapitalismus und Krieg zeitgemäß.

Der Präsident meint, es gelte

„zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen.“

Köhler stellt damit einen Zusammenhang zwischen Außenhandel und Militäreinsätzen her. Außenhandel ist für Köhler offenbar eine Sache von Interessengegensätzen, zu deren Lösung im Notfall der Einsatz des Militärs notwendig ist.
Beim Handel kann der Vorteil der einen Seite der Nachteil für die andere sein. Wer Zeitung liest weiß: dabei ist der Titel des „Importweltmeisters“ nicht allzu beliebt. Doch Handel ist nur gesichert, wenn trotz dieses Gegensatzes der Partner vertragstreu bleibt. Auch der Verlierer muss weiter zur Kooperation bereit sein. Und weil kein „Aufseher“ mit weltweitem Gewaltmonopol ist Sicht ist, muss „Stabilität“ und die „Geltung des Rechts“ gesichert werden. Mit wirtschaftlicher Macht aber im „Notfall“ eben mit dem Einsatz des Militärs. Daher streben alle Staaten nach militärischer Macht – auch wenn sie wie Deutschland von „Freunden“ umgeben sind. Manchmal können die Interessen so widersprüchlich sein, dass sie durch Gewalt geklärt werden müssen. Das wäre allerdings ein „Notfall“. Diesen Zusammenhang von Wirtschaft und Militär erkennt Präsident Köhler im Unterschied von Omid Nouripour, der beklagt

„Köhler legt die Axt an die Legitimation der deutschen Auslandseinsätze“, sagte der Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour der WELT. „Das Kerngeschäft der Auslandseinsätze sind die Stabilität und nicht etwa der Außenhandel.“

Anders als im „Notfall“ ist im Normalfall bereits die Aussicht auf den möglichen Einsatz militärischer oder auch wirtschaftlicher Macht ausreichend. So streben alle Staaten nach der Fähigkeit zur Dominanz, wirtschaftlich oder auch militärisch, um nicht selbst dominiert zu werden. Diesen Anspruch auf Dominanz sahen die USA in der Vergangenheit in Vietnam oder Nicaragua gefährdet und führten dort Krieg, weniger weil es dort Öl oder andere Reichtümer zu erobern galt.
Dieses Ringen um Dominanz wirkt sich bis in die Energiepolitik aus: der Ausbau von Biogas in Deutschland hat sehr viel mit Sorge um eine Abhängigkeit von russischem Gas zu tun. Und selbst beim Irak-Krieg ging es den USA weniger um den Zugang zu irakischem Erdöl, dem Irak unter Saddam Hussein wurde der Verkauf des Öls auf dem Weltmarkt ja geradezu untersagt, sondern eher darum, den auf der Verfügungsmacht über das Öl beruhenden Anspruch des Irak auf Machtpolitik zu brechen.

Mächte, die allein zu Machtpolitik nicht in der Lage ist, schließt sich in Militärbündnissen zusammen. Die Bundeskanzlerin beschrieb dies in ihrer Regierungserklärung am 22.4.2010 so:

„Wir sind eingebunden in die Partnerschaft mit den Verbündeten in der Europäischen Union und der NATO. Alleine vermögen wir wenig bis nichts auszurichten. In Partnerschaften dagegen schaffen wir vieles.“

Köhler nannte zwei Beispiele, bei denen der Einsatz von Gewalt erforderlich sein kann: zur Sicherung von Handelswegen oder um geordnete und geklärte Verhältnisse in einzelnen Regionen zu schaffen. Blickt man sich um, stellt man fest: auch hier hat der Präsident recht. Um eine stabile Region ging es der NATO auf dem Balkan. Und in Afghanistan ist Deutschland dabei, um dort für „Sicherheit“ zu sorgen und den USA die Ordnung der Region nicht allein zu überlassen. Um sichere Handelswege geht es am Horn von Afrika, um militärischen Potenzen geht es beim Atomprogramm des Iran. Die Fähigkeit eigenständiger militärischer Einsätze demonstrierte die EU bei den Wahlen im Kongo.
Von einem Plädoyer für eine „klassischen Kanonenbootpolitik“ ist unser Präsident Köhler weit entfernt. Der ehemalige IWF Direktor weiß aber: wer vom Krieg spricht, darf über den Welthandel nicht schweigen. Oder: die Interessen, die Deutschlands Wirtschaft weltweit hat, sind von einem solchen Gewicht, dass sie der militärischen Durchsetzung bedürfen können. Wer den Imperialismus nur in der Form des 19. Jahrhunderts sucht, mit dem Kampf um den abgeschotteten Zugang zu Kolonien und deren Märkten und Rohstoffen wird ihn im 21. Jahrhundert nicht mehr finden. In den Zeiten der globalen Märkte geht es mehr darum, wer dessen Regeln bestimmt. Darin kennt sich der ehemalige IWF Direktor offenbar besser aus, als mancher seiner Kritiker, er weiß: der weltweite Handel ist kein Gemeinschaftswerk.
Der Präsident ist mit dieser Aufklärung

allen in den Rücken gefallen, die den Einsatz im Bundestag beschlossen haben.

wie die Süddeutsche Zeitung beklagt. Bravo!

Kategorie: Allgemein

Köhlers Afghanistan Interview – ungekürzt!

Präsident Köhler

Bundespräsident Köhler war in Afghanistan. Und sorgt am Rande für mache Klarstellung – allerdings wohl eher ungewollt. Ein Interview beim Deutschlandfunk wurde nachträglich gekürzt – um eine Passage, die es in sich hat.
Köhler äußerte bei seinem Besuch zunächst Zweifel an der Kampfmoral der deutschen Soldaten, wie die Bild am Sonntag berichtet:

Nach Information von BILD am SONNTAG zog Köhler in einem Gespräch mit den Soldaten indirekt deren Siegeszuversicht in Zweifel: Er habe einige Soldaten gefragt, wie zuversichtlich sie seien.
Auf das Schweigen der Soldaten hin habe Köhler einen neben ihm stehenden US-Presseoffizier gefragt: „What do you think about Afghanistan?“ (Was denken Sie über Afghanistan?). Der Offizier habe geantwortet: „I think we can win this“ (Ich glaube, wir können das gewinnen).
Daraufhin habe sich Köhler wieder den deutschen Soldaten zugewandt und gesagt: „Warum höre ich das nicht von Ihnen?“

Dann will Köhler in einem Interview mit dem Deutschlandfunk alles wieder gut machen. Und das geht daneben:
Köhler sorgt sich um den Rückhalt des Bundeswehreinsatzes in der Bevölkerung, gemessen im „Respekt“, der den Soldaten entgegen gebracht wird:

… wir brauchen einen politischen Diskurs in der Gesellschaft, wie es kommt, dass Respekt und Anerkennung zum Teil doch zu vermissen sind, obwohl die Soldaten so eine gute Arbeit machen

In der beim Deutschlandfunk veröffentlichen Fassung endet das Interview mit dem folgenden Satz:

Ich glaube, dieser Diskurs ist notwendig, um einfach noch einmal in unserer Gesellschaft sich darüber auszutauschen, was eigentlich die Ziele dieses Einsatzes sind.

Tatsächlich geht es geht so (Originalton) bei Minute 2:30 weiter:

Und aus meiner Einschäötzung ist es wirklich so, wir kämpfen dort auch für unsere Sicherheit in Deutschland. Wir kämpfen dort im Bündnis mit Alliierten.auf der Basis eines Mandats der Vereinten Nationen.Alles das heißt, wir haben Verantwortung.Ich finde es in Ordnung, wenn in Deutschland darüber immer wieder auch skeptisch mit Fragezeichen diskutiert wird.

Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern , die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg

Frage: Muss sich Deutschland daran gewöhnen, dass Soldaten, die in einem bewaffneten Konflikt stehen, manche nennen es einen Krieg, auch tot aus dem Einsatz nach Deutschland zurück kommen?
Köhler:
Wir haben ja leider diese traurige Erfahrung gemacht, dass Soldaten gefallen sind und niemand kann ausschließen, dass wir auch weitere Verluste irgendwann beklagen müssen.Ich habe mich davon überzeugen können in Mazar i Scharif, dass von der militärischen Führung wirklich jede Professionalität und Gewissenhaftigkeit sowohl in der Frage der Ausbildung als auch der Ausrüstungbefürfnisse vorhanden ist. Aber es wird wieder sozusagen Todesfälle geben. Nicht nur bei Soldaten, möglicherweise auch durch Unfall mal bei zivilen Aufbauhelfern. Das ist die Realität unseres Lebens heute. Man muss auch um diesen Preis sozusagen seine am Ende Interessen wahren. Mir fällt das schwer das so zu sagen , aber ich halte es für unvermeidlich, dass wir dieser Realität ins Auge blicken. Deshalb halte ich es auch nach der Diskussion über den Begriff Krieg oder kriegsähnlichen Zustand oder bewaffneter Konflikt für ganz normal, wenn die Soldaten in Afghanistan von Krieg sprechen. Und ich hab’s auch für normal gehalten, dass ich dann auch im Gespräch mit ihnen dann nicht eine andere verkünstelte Formulierung gewählt habe.

„Alles das soll diskutiert“ werden, aber offenbar nicht veröffentlicht werden.
Dabei hatte doch erst kürzlich Kanzlerin Merkel vor am 22.4.2010 in einer Regierungserklärung militärische Einsätze zur Staatsräson erklärt:

Militärische Zurückhaltung und der Einsatz militärischer Mittel als Ultima Ratio – das ist Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland, und zwar verbunden mit der politischen Verantwortung, die wir aufgrund unserer wirtschaftlichen Stärke, unserer geografischen Lage im Herzen Europas wie auch als Mitglied unserer Bündnisse wahrnehmen.

Und um den Bestand und das Gewicht dieses Bündnisses, das die Freiheit der Wirtschaft weltweit militärisch sichern soll, geht es in Afghanistan – im Konkreten allerdings wohl weniger um Handelswege und offene Märkte, insbesondere wenn man an das Hauptexportgut Afghanistans denkt, bei dem es dieses arme Land zum Weltmarktführer gebracht hat.

Kategorie: Allgemein

Grüne erstmals im britischen Parlament

„Caroline Lucas wins!“ Die britischen Grünen feiern ihren Einzug in das britische Parlament. Die britischen Grünen fordern im Unterschied zu den deutschen einen Abzug aus Afghanistan. Die Vorsitzende der britischen Grünen Caroline Lucas hat ihren Wahlkreis in Brighton Pavilion gewonnen. Damit ist erstmals ein Mitglied der Grünen in das britische Parlament eingezogen. Mit 31.3 % der Stimmen legte sie 9.4 % zu und verwies die Kandidatin der Labour Party, die den Sitz 2005 geholt hatte mit 28.9 % auf Platz 2. (Conservative 23.7% Liberal Democrat 13.8%).
Mit Caroline Lucas hat die britische Friedensbewegung eine weitere Stimme im Parlament. In der Frage der weiteren Unterstützung des Krieges in Afghanistan gehen die deutschen und die britischen Grünen unterschiedliche Wege. Symbolisch dafür war ein Wochenende im Oktober 2009: Während die britischen Grünen am Samstag mit der Friedensbewegung in London für den Abzug der britischen Truppen aus Afghanistan demonstrierten, erklärten Sonntags drauf die deutschen Grünen auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz in Rostock derlei Positionen für „unverantwortlich„. Daran hatte leider auch ein Brief unserer britischen Freunde an die Delegierten in Rostock nichts geändert:

It is unfortunate that the German Green Party is at odds with the Green Party of England & Wales on the matter of war.

Immerhin: auch bei uns hat mit Hans-Christian Ströbele ein friedensbewegter Grüner das einzige Direktmandat geholt. Wegen des britischen Mehrheitswahlrechts wird es für die Briten aber wohl bei einem Sitz bleiben. Würde wie bei den Europawahlen nach dem Verhältniswahlsystem sähe es für sie wohl besser aus: damals holten sie 8,7 %.
Der Wahlkreis von Caroline Lucas ist das bekannteste Seebad Englands. Ein Urlaub dort soll eine entspannende Wirkung haben und ist deshalb manche/r/n deutschen Grünen empfehlen.

Kategorie: Allgemein

Deutschlands Sicherheit als Kriegsgrund – etwas juristisch betrachtet

Mit ihrer Regierungserklärung vom 22.April 2010 bemüht Bundeskanzlerin Merkel erneut das Wort von Peter Struck, „Deutschlands Sicherheit wird am Hindukusch verteidigt – wir wollen der Stichhaltigkeit dieses Arguments anhand der Rechtsprechung nachgehen. Zunächst die Bundeskanzlerin, nachzulesen im Protokoll:

Dass afghanische Frauen heute mehr Rechte als früher haben, dass Mädchen zur Schule gehen dürfen, (…) ist das Ergebnis unseres Einsatzes in Afghanistan. (…) Dadurch alleine könnte der Einsatz unserer Soldaten dort aber nicht gerechtfertigt werden. In so vielen anderen Ländern dieser Welt werden die Menschenrechte missachtet, werden Ausbildungswege verhindert, sind Lebensbedingungen katastrophal – und trotzdem entsendet die internationale Gemeinschaft keine Truppen, um sich dort militärisch zu engagieren.
(…)
Nein, in Afghanistan geht es noch um etwas anderes. Der berühmte Satz unseres früheren Verteidigungsministers Peter Struck bringt das für mich auf den Punkt. Er sagte vor Jahren:
Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt.

Die „Sicherheit Deutschlands verteidigen“, das kann man sich zunächst in dem ganz einfachen Sinn vorstellen, dass Deutschland von Afghanistan aus bedroht wird und mit militärischen Mitteln diese Gefahr „vor Ort“ bekämpft wird. Damit stellt sich die Frage: wird Deutschlands Sicherheit von Afghanistan aus in einer Weise bedroht, dass Deutschland seine Sicherheit dort verteidigen muss? Geht also von Afghanistan eine Gefahr aus? Um genau diese Frage ging es nach dem 11. September 2001 in mehreren Gerichtsverfahren.
Die nach dem 11. September 2001 in allen Bundesländern von den Polizeibehörden eingeleitete „Rasterfahndung“ beschäftigte alsbald die Gerichte. Mit einem Datenabgleich sollte die Spur von Terroristen – sog. „Schläfern“ – gefunden werden, um zu verhindern, dass diese weitere Terroranschläge verüben. Nach den Polizeigesetzen der Länder setzt eine solche Rasterfahndung eine „Gefahr“ voraus. Die Gerichte mussten also prüfen, ob eine Gefahr für die Sicherheit gegeben war. Das Landgericht Düsseldorf ging von einer solchen Gefahr aus und beschrieb in einem Beschluss vom 29.10.2001 die Ursache so – wir veröffentlichen diese Entscheidung erstmals:

Es besteht eine gegenwärtige Gefährdung für die Sicherheit des Bundes oder eines Landes im Sinne der genannten Vorschrift. Gegenwärtig ist danach eine Gefahr, wenn das schädigende Ereignis bereits begonnen hat, oder wenn die Störung in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintritt ( vgl. Kay/Böcking, Polizeirecht in NRW, B RN 93 ). Diese Ausnahme ist aufgrund der Anschläge vom 11.09.01 in New York und der sich daraus ergebenden Reaktionen gerechtfertigt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass seitens der Bundesregierung die uneingeschränkte Solidarität -.ggf. auch mit militärischen Mitteln – mit dem Vorgehen der Vereinigten Staaten wiederholt bekundet wurde und dass seitens der hinter den Anschlägen vom 11.09.2001 vermuteten Organisation spätestens seit der Militäraktion gegen Afghanistan Vergeltungsschläge gegen die an den militärischen Aktionen beteiligten Staaten angekündigt wurden.

Grund der Gefährdung Deutschlands ist nach dieser Entscheidung mithin die Kriegsbeteiligung Deutschlands – und nicht umgekehrt. Nach dieser Gerichtsentscheidung verhält es sich mit Ursache und Wirkung also genau umgekehrt wie es die Kanzlerin dargestellt: nicht die Gefährdung Deutschlands nötigt zum Krieg, sondern der Krieg gefährdet Deutschlands Sicherheit.

Einige Jahre später korrigierte das Bundesverfassungsgericht mit dem Beschluss vom 4.4.2006 das Landgericht Düsseldorf. Zunächst stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Eingriff in die Grundrechte durch die Rasterfahndung so schwerwiegend ist, dass nicht irgendwelche Gründe ausreichen, um diesen Eingriff zu rechtfertigen:

Das Gewicht der mit der Durchführung einer Rasterfahndung einhergehenden Grundrechtseingriffe, deren Voraussetzungen zudem gesetzlich nicht eng umschrieben worden sind, ist so hoch, dass der Gesetzgeber die Maßnahme zum Schutz der hochrangigen Rechtsgüter des § 31 Abs. 1 PolG NW 1990 nur bei Vorliegen einer konkreten Gefahr vorsehen darf. (…)

Aber wann liegt eine solche „konkrete Gefahr“ vor? Diese Frage beantwortete das Bundesverfassungsgericht so:

Die für die Feststellung einer konkreten Gefahr erforderliche Wahrscheinlichkeitsprognose muss sich auf Tatsachen beziehen. Vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen ohne greifbaren, auf den Einzelfall bezogenen Anlass reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 ; 69, 315 ). (…)

Für eine solche „konkrete Gefahr“ reicht aber der Verweis auf den „Terrorismus“ nicht – es muss schon etwas „konkreter“ sein:

Für die Annahme einer etwa von so genannten terroristischen Schläfern ausgehenden konkreten Dauergefahr sind daher hinreichend fundierte konkrete Tatsachen erforderlich.

Das Bundesverfassungsgericht hält es auch durchaus für möglich, dass durch „außenpolitische Spannungslagen“ (vulgo: Krieg) die Gefahr terroristischer Anschläge in Deutschland steigt, für eine Rasterfahndung reicht das aber nicht:

Außenpolitische Spannungslagen, die von terroristischen Gruppierungen zum Anlass von Anschlägen gewählt werden können, gibt es immer wieder, und sie können lange anhalten. Insofern ist es praktisch nie ausgeschlossen, dass terroristische Aktionen auch Deutschland treffen oder dort vorbereitet werden können. Eine derartige allgemeine Bedrohungslage, wie sie spätestens seit dem 11. September 2001, also seit nunmehr über vier Jahren, praktisch ununterbrochen bestanden hat, oder außenpolitische Spannungslagen reichen für die Anordnung einer Rasterfahndung nicht aus. Der durch die Rasterfahndung bewirkte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt vielmehr das Vorliegen weiterer Tatsachen voraus, aus denen sich eine konkrete Gefahr ergibt, etwa weil tatsächliche Anhaltspunkte für die Vorbereitung terroristischer Anschläge oder dafür bestehen, dass sich in Deutschland Personen für Terroranschläge bereithalten, die in absehbarer Zeit in Deutschland selbst oder andernorts verübt werden sollen.

Also: eine „allgemeine Bedrohungslage“ reicht nicht aus, um eine Rasterfahndung zu rechtfertigen, die Gefahr muss vielmehr durch konkrete Tatsachen belegt werden. Das Verfassungsgericht wies auf die Folgen für die Bürgerrechte hin, würde eine allgemeine „Terrorismusgefahr“ ausreichen, um die Rasterfahndung zu erlauben:

Wäre Bezugspunkt der Rasterfahndung etwa eine allgemeine Terrorismusgefahr und würde diese somit zum Bezugspunkt der Konkretisierung der Art der Daten, die von der Polizei benötigt werden, wäre eine nahezu grenzenlose Ermächtigung geschaffen

Lag nun eine solche „konkrete Gefahr“ im Jahr 2001 vor? Gab es „konkrete Tatsachen“, die eine konkrete Gefahr begründen? Das Bundesverfassungsgericht konnte diese Tatsachen den Gerichtsentscheidungen nicht entnehmen:

Sind (…) „konkrete Anzeichen für Terroranschläge in Deutschland nicht bekannt“, sondern besteht lediglich eine auf Vermutungen beruhende „Möglichkeit solcher Anschläge“, dann handelt es sich bei der dennoch durchgeführten Rasterfahndung um eine Maßnahme im Vorfeld der Gefahrenabwehr, nicht aber um die Abwehr einer konkreten Gefahr. (…) Die zur Begründung der derart herabgesenkten Wahrscheinlichkeitsanforderungen herangezogene Tatsachenbasis war vorliegend zu diffus, um eine konkrete Gefahr bejahen zu können.

Auch die als „außenpolitische Spannungen“ beschriebene Intervention in Afghanistan reichte dem Bundesverfassungsgericht als Begründung ausdrücklich nicht:

So wurden außen- und sicherheitspolitische Ausgangstatsachen angeführt, die zwar – wie der Militärschlag der Vereinigten Staaten von Amerika in Afghanistan und die Drohung des Botschafters dieses Landes mit Vergeltungsschlägen – Ausweitungen der militärischen Auseinandersetzung, gegebenenfalls auch terroristische Anschläge hätten verursachen können. Es gab jedoch keine über diese allgemeine Lage hinausgehenden Erkenntnisse über konkrete Gefährdungen oder speziell über Anschläge oder Anschlagsvorbereitungen gerade in Deutschland. (…)

Rufen wir uns den Ausgangspunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Erinnerung: Weil der Eingriff in die Rechte der Bürger durch die Rasterfahndung erheblich ist, darf sie nur bei einer „konkreten Gefahr“ durchgeführt werden und nicht auf Grund irgendwelcher Vermutungen. Eine solche „konkrete Gefahr“ hatten die Gerichte aber nicht festgestellt. Weder gab es konkrete Hinweise auf Schläfer, noch konkrete Hinweise auf drohende Anschläge im Zusammenhang mit dem Krieg in Afghanistan. Die Eingriffe in Bürgerrechte durch die Rasterfahndung waren deshalb nicht zu rechtfertigen.
Mit dieser Erkenntnis kann man nunmehr prüfen, ob das Argument, mit dem die Kanzlerin den Krieg in Afghanistan rechtfertigt, stichhaltig ist., Man sollte meinen, was zur Rechtfertigung polizeilicher Maßnahmen im Inland vom Verfassungsgericht gefordert wird – das sollte erst recht für militärische Maßnahmen im Ausland zu fordern sein. Doch man stellt fest:
Was für einen Datenabgleich in Deutschland nicht reicht – für einen Krieg in Afghanistan soll es ausreichen:
Bundesregierung und ihre Kanzlerin rechtfertigen mit der „Gefahr durch den Terrorismus“ einen inzwischen ins neunte Jahr gehenden Krieg! Zur Gefahrenabwehr ist ein Datenabgleich verboten, ein Krieg soll hingegen erlaubt sein. Dabei geht es bei einem Krieg um Fragen von Leben und Tod, nicht um das informationelle Selbstbestimmungsrecht. In einem Krieg werden Soldaten in Lebensgefahr gebracht und kommen darin um, in einem Krieg werden Aufständische getötet und gefangen genommen, in einem Krieg leidet die Zivilbevölkerung und kommen Tausende ums Leben All diese Schäden für Leib und Leben sollen zulässig sein, wo ein Datenabgleich wegen der Schäden für das informationelle Selbstbestimmungsrecht unzulässig ist.
Wenn ohne „konkrete Gefahr“ ein Datenabgleich, der verhältnismäßig billig ist und bei dem niemand ums Leben kommt nicht gerechtfertigt ist, muss das dann nicht erst recht bei einem Krieg gelten? Ein Krieg bei dem bislang über 1500 alliierte Soldaten, zehntausende Zivilisten und eine unbekannte Zahl von Aufständischen ihr Leben verloren haben und der zudem Milliarden Euros und Dollars kostet.
Legt man den Maßstab, den das Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit eines Datenabgleich im Inland aufstellt hat, an den Krieg in Afghanistan an, dann kann dieser Krieg erst recht nicht mit der „Abwehr von Gefahren durch den Terrorismus“ gerechtfertigt sein.

Wir halten fest: der Kampf um Frauenrechte reicht nach den Worten der Kanzlerin ohnehin nicht aus, um den Krieg in Afghanistan zu begründen. Die Abwehr von Gefahren durch den Terrorismus kann ihn gleichfalls nicht begründen.

Doch der Kanzlerin und der Bundestagsmehrheit geht es bei der „Verteidigung der Sicherheit“ um mehr, wie sie in ihrer Regierungserklärung offen legt:
Es fängt an mit der Globalisierung:

Doch so wenig man die Globalisierung abschaffen kann – was ich nicht will, was aber auch gar nicht ginge, selbst wenn man es wollte –, so wenig dürfen wir in unseren Anstrengungen
nachlassen, den Gefahren für das Recht, die Sicherheit und die Freiheit unseres Landes dort zu begegnen, wo sie entstehen.

Wegen der Globalisierung müssen „Gefahren für das Recht“ dort bekämpft werden, wo sie entstehen – und sei es in den entferntesten Weltregionen. Die Kanzlerin verweist darauf, dass

sich unter den Bedingungen der Globalisierung die Herausforderungen an unsere Sicherheitspolitik nach dem Ende des Kalten Krieges drastisch gewandelt haben. Es wird in Zukunft weit weniger als bisher um Konflikte zwischen Staaten gehen. Es sind die asymmetrischen Konflikte, die unsere sicherheitspolitische Zukunft dominieren werden….Es sind Piraten vor der Küste Somalias, die mit räuberischen Attacken unsere Handelswege in Gefahr bringen. Es sind die Gefahren, die nicht dem klassischen, dem gewohnten Muster von Konflikten und Kriegen entsprechen, die auch aus weiter Entfernung in Windeseile direkt zu uns gelangen können.

Die Sicherung der Handelswege, die Sicherung des Rechts, das verweist darauf, dass im Zeitalter der Globalisierung die Interessen einer Wirtschaftsmacht weltweit sind und deshalb diese Interessen auch weltweit der Beachtung bedürfen und ins Recht gesetzt werden – und dieses Recht notfalls militärisch durchgesetzt werden muss. In diesem Sinne ist der Einsatz des Militärs auch “ultima ratio” und die Kanzlerin begründet eine neue „Staatsräson“:

Militärische Zurückhaltung und der Einsatz militärischer Mittel als Ultima Ratio – das ist Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland, und zwar verbunden mit der politischen Verantwortung, die wir aufgrund unserer wirtschaftlichen Stärke, unserer geografischen Lage im Herzen Europas wie auch als Mitglied unserer Bündnisse wahrnehmen.

“Der Einsatz militärischer Mittel als Ultima Ratio – das ist die Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland” – nur naive Geister sehen darin einen wertvollen Hinweis auf den Krieg als letztes Mittel der Politik. Es ist nichts anderes als die Definition Deutschlands als einer selbstverständlich weltweit militärisch intervenierenden Macht.

Deutschland als Militärmacht im Einsatz, das ist als Merkels Sicht deshalb nicht Ansichtsache oder Diskussionsthema, sondern nicht verhandelbar, eben Staatsräson.

Doch die Rolle als weltweite Ordnungsmacht, das ist auch für ein Land mit der wirtschaftlichen Stärke Deutschland allein etwas viel – Deutschland ist auf Bündnisse angewiesen:

Wir sind eingebunden in die Partnerschaft mit den Verbündeten in der Europäischen Union und der NATO. Alleine vermögen wir wenig bis nichts auszurichten. In Partnerschaften dagegen schaffen wir vieles.

Dieses Bündnis gefährdet, wer den Krieg beenden will.

Wer deshalb heute den sofortigen, womöglich sogar alleinigen Rückzug Deutschlands unabhängig von seinen Bündnispartnern aus Afghanistan fordert, der handelt unverantwortlich. Nicht nur würde Afghanistan in Chaos und Anarchie versinken, …

…freilich sind Chaos und Anarchie ebenso wie Frauenrechte sicher kein ausreichender Grund für ein weiteres Engagement der Bundeswehr. Nein, die Gefahren, die sich für Deutschland ergeben, wenn man sich einseitig zurück zieht, sind weit größer, gefährdet wäre das Bündnis und damit der einzige eigene Weg zur neuen Rolle als Ordnungsmacht:

…auch die Folgen für die internationale Gemeinschaft und ihre Bündnisse, in denen wir Verantwortung übernommen haben, und für unsere eigene Sicherheit wären unabsehbar. Die internationale Gemeinschaft ist gemeinsam hineingegangen; die internationale Gemeinschaft wird auch gemeinsam hinausgehen.

In diesem Sinne ist der Krieg in Afghanistan, der insbesondere auf Initiative Deutschlands zur Sache der NATO wurde und damit als Bündniskrieg geführt wird, ein weiterer Meilenstein auf Deutschlands Weg aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit nach 1945 hin zu einer selbstbewussten militärisch agierenden Macht, wie Merkel zufrieden feststellt:

Seit 1990, also seit der Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Krieges, ist unser Land einen beachtlichen Weg gegangen. (…) Schritt für Schritt hat Deutschland international Verantwortung gemeinsam mit unseren Verbündeten in der NATO, in der europäischen Sicherheitspolitik und im Auftrag der Vereinten Nationen auch außerhalb des Bündnisgebietes übernommen.
War es unter den Bedingungen des Kalten Krieges noch völlig undenkbar, so stand die Bundeswehr wenige Jahre nach der deutschen Einheit bereits als Teil von Friedenstruppen in Somalia oder auf dem Balkan. 1999 erfolgte die Beteiligung Deutschlands am Einsatz im Kosovo. Ohne Zweifel, es sind diese Einsätze im Ausland, die heute den Auftrag, die Struktur und den Alltag der Bundeswehr wesentlich bestimmen.

Doch trotz dieser Erfolgsgeschichte beim Weg in den Krieg gibt es Anlass zur Sorge: Hält die Bevölkerung Schritt, gelingt der militärische Gleichschritt von Bundeswehr und Bevölkerung?

Denn die Bundeswehr wird ihren Auftrag nur dann erfüllen können, wenn sie sich auf den nötigen Rückhalt in der Gesellschaft verlassen kann und wenn dieser Rückhalt auch sichtbar wird.

Was bleibt für die Menschen in Afghanistan? Übertriebene Hoffnungen dämpft die Kanzlerin:

Die Partner der internationalen Gemeinschaft wissen, dass wir Afghanistan nicht zu einer Demokratie nach westlichem Vorbild machen können. Darum hat es auch gar nicht zu gehen. Etwas mehr als acht Jahre nach Beginn des Einsatzes müssen wir feststellen – ich sage dies durchaus auch selbstkritisch und ohne jede Schuldzuweisung gegen irgendjemanden –: Es gab manche Fortschritte, es gab zu viele Rückschritte, und unsere Ziele waren zum Teil unrealistisch hoch oder sogar falsch.

Demokratie, das ist zuviel für den Orientalen in Afghanistan, das ließe

…die kulturellen, historischen und religiösen Traditionen der afghanischen Gesellschaft unberücksichtigt

Den Afghanen fehlt es vor allem an der Staatsgewalt selbst, an einem staatlichen Gewaltmonopol, das erst die Voraussetzung für alles weitere ist:

erst wenn der Staat in der Lage ist, das elementare Bedürfnis seiner Bevölkerung nach Sicherheit zu erfüllen, erst dann gewinnen Menschen auch den Freiraum, ja die Freiheit, sich dem Aufbau ihres Landes zu widmen, ihrer Bildung, ihrer Wirtschaft, ihrem sozialen Ausgleich. …Sicherheit ist die Voraussetzung jeder Entwicklung und die Voraussetzung dafür, dass sich in einem Land wie Afghanistan nicht wieder Brutstätten des internationalen Terrorismus bilden, die uns in Europa und der Welt bedrohen können.

Deshalb ist es sowohl im Interesse des Westens, als auch der Afghanen, wenn der dortige staatliche Gewaltapparat aufgerüstet wird, damit er bald die Aufgaben übernehmen kann, um den sich derzeit noch die Soldaten der Alliierten unter Einsatz ihres Lebens kümmern müssen. Den Afghanen mangelt es also als erstes an Gewalt, durch Polizisten und Soldaten. Diese zu stärken ist die Aufgabe der nächsten Jahre:

Die Londoner Strategie sieht vor, die afghanischen Sicherheitskräfte so auszubilden, dass sie schnellstmöglich in die Lage versetzt werden, für die Sicherheit und Stabilität ihres Landes selbst zu sorgen.

Ist dieser ohne besondere Ansprüche an Demokratie aufgebaute Gewaltapparat in Afghanistan erst einmal geschaffen, dann können die Truppen der NATO abziehen und in dem auf dem Human Development Index auf der vorletzten Stelle rangierenden Land werden, so verspricht die Kanzlerin, „Freiheit“, „Aufbau“ und sogar „sozialer Ausgleich“ einziehen.

Wilhelm Achelpöhler
P.S.:
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts musste sich das Landgericht Düsseldorf erneut mit den Voraussetzungen der Rasterfahndung beschäftigen. Es gab der NRW-Polizei erneut Gelegenheit, zur konkreten Gefahr vorzutragen.
Die Polizeibehörden tischten dem Gericht eine Räuberpistole auf, wie man dem Beschluss des Landgerichts Düsseldorf entnehmen kann:

„dienstlich wurde hier folgender sachverhalt bekannt:
in einem bosnischen dorf sollen sich eine groessere zahl von kaempfern aus dem bosnienkrieg aufhalten, die aus verschiedenen teilen der arabischen welt – auch afghanistan – stammen. sie sollen ueber bosnische paesse verfuegen. ein grosser teil der maenner soll auf Weisung des bin laden dorthin gekommen sein.
zwei dieser maenner – bosnienkaempfer — sollen, nachdem zuvor 24 kilogramm plastiksprengstoff geordert worden seien, nach deutschland gereist sein. sie sei-en am 16.09.01 unter mitnahme von zwei taschen mit einem pkw ueber slowe¬nien zunächst nach wien gefahren. am 17.09.01, gegen 20.00 uhr sollen die bei-den maenner dann am hauptbahnhof hamburg gewesen sein. der derzeitige auf¬enthaltsort ist nicht bekannt.

beschreibung der zwei „bosnienkaempfer“:
maennlich
– 35 bis 45 jahre alt
eine person ca. 176 cm, schlank
– zweite person ca. 1 85 cm, schlank
– beide tragen keinen bart, keinen schmuck
– beide von arabischem typus
– stimmlage normal, staendig gleiche tonlage
vermutlich keine deutschkenntnisse, nur erlerntes bosnisch, etwas englisch, arabisch
– eine person nennt sich „hamza°
zweite person nennt sich „el —s –
bewertung:
der hintergrund der informationen wird als zuverlaessig bewertet.
die derzeit vorliegenden erkenntnisse lassen eine abschliessende bewertung der von diesen personen konkret ausgehenden gefahren nicht zu.
vor dem derzeitigen hintergrund der anschlaege in usa und zu erwartender ver¬geltungsaktionen ist es wahrscheinlich, dass die zwei maenner sich mit dem ziel nach deutschland begeben haben, moeglicherweise unter verwendung nicht un¬erheblicher mengen von plastiksprengstoff, hier oder von hier aus anschiags¬handlungen zu begehen.
im zielspektrum duerften analog zur allgemeinen gefaehrdungslage in dem o.g. zusammenhang vor allem us-amerikanische, daneben aber auch israeli¬sche/juedische einrichtungen und interessen stehen, bei fortentwicklung der lage aber auch solche von moeglichen weiteren mitgliedsstaaten einer zu erwarten-den internationalen allianz.
weiterfuehrende ermittlungen werden durchgefuehrt, bei vorliegen zusaetzlicher erkenntnisse wird nachberichtet.“

Das war dem Landgericht dann doch zu viel – es stellte durch Beschluss vom 15.3.2007 fest, dass die Anordnung der Rasterfahndung nun endgültig mangels konkreter Gefahr rechtswidrig ist.

Kategorie: Allgemein

Ströbele: Bundestag soll Afghanistanmandat widerrufen


Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele legte den Gremien der Fraktion einen Antrag vor, wonach der Bundestag seine Zustimmung zum Einsatz der Bundeswehr förmlich widerrufen solle.

In dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, unverzüglich einen neuen Mandats-Entwurf vorzulegen, der einen vollständigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan in verantwortbarer Weise und so schnell wie möglich zeitlich und organisatorisch konkretisiert.

§ 8 Parlamentsbeteiligungsgesetz sieht vor, dass der Bundestag eine Zustimmung zu einem Einsatzmandat widerrufen kann.

Hans-Christian Ströbele dazu:

Andere reden nur von neuem Mandat und konkretem Abzugsplan; ich will mit meinem Antrag nun rasch ein praktisches Ergebnis. Bei einer öffentlichen Abstimmung im Parlament darüber können alle Farbe bekennen, wie es weiter gehen soll. Denn jeder Tag Zuwarten in diesem Krieg, der sinnlos und nicht zu gewinnen ist, gefährdet das Leben von Menschen in Afghanistan – auch der deutschen Soldaten, die ich daher so schnell wie möglich nach Hause holen möchte.

Im zuständigen Arbeitskreis ‚Außen-/Verteidigungspolitik‘ der Fraktion fand der Antrag keine Mehrheit.
Es wird erwartet, dass das Thema den bevorstehenden Länderrat der Partei am 25.4.2010 beschäftigt.

In einem Kommentar zur Initiative des SPD Vorsitzenden Gabriel für ein neues Afghanistanmandat des Bundestages hatten wir u.a. geschrieben:

Erstens ist es natürlich juristisch Unsinn, dass der Bundestag ein neues Afghanistan-Mandat beschließen muss. Denn seit Jahren fußt der Einsatz auf einem Kapitel-VII-Mandat des UN-Sicherheitsrats: Es handelt sich also um einen „friedenserzwingenden“ Einsatz, umgangssprachlich: „Kriegseinsatz“. Die NATO hat keine Blauhelme nach Afghanistan geschickt. (…)Zweitens ist es deshalb zu begrüßen, dass die SPD offenbar nach einem gesichtswahrenden Weg sucht, ihre Unterstützung des Afghanistan-Krieges zu beenden. Eine gar nicht so einfache Aufgabe, denn unter der rot-grünen Regierung ist der Bundeswehr-Einsatz begonnen worden und diese sorgte auch international dafür, dass die NATO auf dem Kriegsschauplatz aktiv wurde und nach und nach ihre ISAF-Mission von Kabul auf ganz Afghanistan ausdehnte. Und es war der SPD-Minister Struck, der die Formel prägte, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt.

Vom GRÜNEN Führungspersonal sind entsprechende Absatzbewegungen aktuell nicht erkennbar. Immerhin hat aber bei der letzten Afghanistan-Abstimmung im Bundestag nur noch eine Minderheit von 8 GRÜNEN Abgeordneten mit der Regierung gestimmt.

Im Bezug auf Hans-Christian Ströbele gilt es freilich festzuhalten: er hat dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan niemals zugestimmt – und das auch zu einer Zeit nicht, als er innenpolitisch längst nicht so umstritten war, wie er es derzeit ist. Das gilt freilich nicht für die übrigen grünen Bundestagsabgeordneten. Deshalb ist sein Antrag eigentlich ein freundliches Angebot ….

Kategorie: Allgemein

Weiß statt Gelb!


Mit einer gelben Schleife soll jetzt “Solidarität mit der Bundeswehr” demonstriert werden. Friedensbewegte greifen hingegen zum weißen Friedensband.
Nachdem Karfreitag erst drei Bundeswehrsoldaten und nicht einmal zwei Wochen später vier weitere Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan gefallen sind, macht sich die journalistische Öffentlichkeit vermehrt Sorgen um die Stimmungslage in der Bevölkerung:
Berthold Kohler fragt in der FAZ vom 16.4.

Wie lange wird Deutschland das ertragen und “vereint” hinter seinen Soldaten stehen, wie es ihnen Außenminister Westerwelle zusagte?

Thomas Schmid fordert in der Welt vom selben Tag:

Die Taktik des Durchlavierens ist gescheitert….Die abgeneigte Mehrheit der Deutschen muss …überzeugt werden. Das Thema Afghanistan muss in die Öffentlichkeit, auf die Marktplätze. Die Wahrheit ist am Ende stärker als die Furcht vor dem Souverän.

Und Omid Nouripour, verteidigungspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion erkannte, was das deutsche Volk in Kriegszeiten braucht: nicht etwa Frieden – Nouripour stimmte als einer von acht grünen Abgeordneten dem ISAF Mandat zu -sondern Führung! Der grüne Ruf nach Führung im Krieg erfolgt, – historisch nachvollziehbar – auf englisch:

„Merkel darf sich nicht länger hinter Wortwolken verstecken“, sagt Nouripour im Gespräch mit sueddeutsche.de: „Sie muss ‚Leadership‘ zeigen.“

Aber Rettung für die kriegsmüde Seele naht, in Form der Kampagne “Gelbe Schleife” mit der man sich ein gelbes Band an die Brust, als Zeichen der Solidarität mit der Bundeswehr heften soll. Manchen mag das an den Film “Wag the Dog” erinnern und die dortige Kampagne für “old Shoe”.

Aber es gibt ein erprobtes Gegenmittel:
Das weiße Friedensband:

Am 7. Februar 2003 entwarfen Journalistinnen und Journalisten das Weiße Friedensband als deutlich wurde, dass der Irak-Krieg droht. Aus den vielen Formen, die dann entstanden, entwickelte sich das Weiße Friedensband – ähnlich der Aidsschleife – heraus.
Bereits am 11. 2. 2003 forderten die beiden Träger des Aachener Friedenspreises Heiko Kauffmann und Bernhard Nolz die Menschen zum Tragen des Weißen Friedensbandes auf – mit großem Echo in den Medien.
Bei der großen Demonstration in Berlin – am 15.2.2003 – trugen bereits viele Tausend Menschen die weiße Schleife.

Leicht herzustellen bietet es sich an zur Verteilung auf den Anti-AKW Demos am 24.4. oder am 1.Mai.

Kategorie: Allgemein

Karzai gegen Panzerhaubitze 2000


Minister Guttenberg hat angekündigt, die Panzerhaubitze 2000 in Nordafghanistan einzusetzen. Damit reagierte er auf den massiv vorgetragenen Vorwurf, die Bundeswehr sei in Afghanistan schlecht ausgerüstet und deswegen seien in den letzten zwei Wochen schon 7 Gefallene zu beklagen. Stichhaltig ist das Argument nicht wirklich, denn die USA, deren Soldaten sicherlich nicht „schlecht ausgerüstet sind“, sondern die modernsten Waffen haben, verzeichneten bis heute schon 1044 Gefallene in Afghanistan.
Ob sich Minister Guttenberg auch von der Werbung des Herstellers animiert sah? Hersteller Krauss-Maffei Wegmann schrieb auf seiner Website stolz:

Operation ›Medusa‹ in Afghanistan 07.11.2006… Zuverlässig als hochpräzises Kampfunterstützungssystem. Im September bestand die PzH 2000 ihren ersten scharfen Kampfeinsatz – allerdings im Dienst der niederländischen Streitkräfte während einer ISAF-Mission im Süden Afghanistans… Im Verbund mit ca. 2000 afghanischen ANA- und ISAF-Soldaten leisteten die niederländischen Artilleristen über 30 Kilometer weit reichende Feuerunterstützung bei Gefechten gegen Taliban-Rückzugsgebiete«

http://www.kmweg.de/spezial.php?id=20

Der militärische Sinn: Bei ihren Kriegshandlungen in Afghanistan versuchen die NATO-/OEF-Truppen ihre gigantische technische Überlegenheit auszunutzen. Dazu setzen sie Artillerie (dazu zählt eben auch die Panzerhaubitze 2000) ein, mit der sie die Aufständischen aus bequemer Entfernung beschießen können, ohne selbst getroffen werden zu können.

Bei diesen Einsätzen werden auch regelmäßig viele ZivilistInnen getroffen. Deswegen beschwerte sich Präsident Karzai bereits im Juni 2007:

Man bekämpft keine Terroristen, indem man eine Kanone aus 37 Kilometer Entfernung auf ein Ziel abfeuert. Da muss es einfach zivile Opfer geben.

(Karsai richtet Warnung an Nato, in: focus online 23..6.2007)
Aber dessen Meinung ist in westlichen Hauptstädten nicht so gefragt.

Kategorie: Allgemein

Joe Glenton zu 9 Monaten Haft verurteilt

Joe Glenton auf der Friedensdemonstration in Lndon

Joe Glenton ist am 5. März zu neun Monaten Haft verurteilt worden, weil er nicht mehr am Afghanistan Krieg teilnehmen wollte.

„Stop the war“ schreibt dazu:

This extremely harsh sentence ignored many of the facts of the
case; that Joe had post-traumatic stress disorder, that he had
raised concerns about the war with his superiors and been
bullied as a result, and that he had voluntarily returned to
barracks after going absent without leave.

The judge herself made it clear the sentence was not based on
the facts of the case but on a desire to deter other members
of the military from taking a stand of conscience.

Joe is a brave and defiant man. He left the court under guard
with a clenched fist held high. His outspoken defiance and the
national campaign to defend him had already forced the
authorities to drop the much more serious charge of desertion.

Stop the War will now widen the campaign to defend Joe Glenton
until he is free.

Stop the war ruft dazu auf, Unterstützungsmails an folgende Adresse zu schicken: defendjoeglenton@gmail.com
Hier ist seine Rede auf der Friedensdemonstration am 24.10.2009 in London:
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=1UuwdekscKg[/youtube]
Joe Glentos Mutter sagte nach dem Urteil:

I am extremely angry. The court barely paid lip service to   
justice. The judge clearly didn’t listen to the arguments or   
if she did she ignored them. The lawyers are considering an   
appeal. The Ministry of Defence will be hearing a lot more   
from me.

Kategorie: Allgemein

Afghanische Regierung verbietet TV Berichterstattung über Kämpfe

Seit Montag, den 1.3.2010 dürfen Journalisten nicht mehr über laufende Kampfhandlungen in Afghanistan berichten. Das berichtet Reuters:

Journalists will be allowed to film only the aftermath of attacks, when given permission by the National Directorate of Security (NDS) spy agency, the agency said. Journalists who film while attacks are under way will be held and their gear seized.

Der Grund ist klar: Bilder haben eine erhebliche politische Wirkung – TV Bilder allemal. Den USA ist das spätestens seit der Tet-Offensive des Vietcong 1968 bekannt. Zwar führten die USA bereits seit 1965 Krieg in Vietnam – erst die Durchführung militärischer Operationen in den Städten, insbesondere der südvietnamesischen Hauptstadt Saigon machte über die TV Berichte in den USA den Krieg zu einem innenpolitische Thema.
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=q1vJqTN-qVI[/youtube]
So war die Tet-Offensive zwar eine militärische Niederlage für den Vietcong, aber ein politisch-propagandistischer Erfolg und damit ein Wendepunkt des Krieges.
Genau das soll in Afghanistan verhindert werden.
NDS Geheimdienstsprecher Saeed Ansari erläuterte das Bilderverbot denn auch mit klaren Worten:

„Live coverage does not benefit the government, but benefits the enemies of Afghanistan,“

Schon in der Vergangenheit wurden Journalisten an der Arbeit gehindert – und etwa von afghanischen Sicherheitskräften geschlagen, wenn sie Auseinandersetzungen filmten.
Damit sollen Berichte wie der folgende etwa verhindert werden, den die New York Times verbreitet:

Bereits seit Mitte 2009 veröffentlicht die NATO keine Zahlen mehr über die getöteten Aufständischen – als Zeichen des „Strategiewechsels“, wie CNN berichtete. Auch das ist eine Lehre aus dm Vietnamkrieg:

The issue of publishing enemy body counts has been extremely sensitive to the U.S. military since the Vietnam War when the military regularly published large enemy body counts but seemed to be failing overall to make progress in the war.

Da verwundert es dann nicht, wenn ausgerechnet die Taliban neuerdings Verfechter der Pressefreiheit werden:

By imposing the ban on the coverage of independent news organizations, the puppet government tries to hide its failure in face-to-face fights with the mujahedin in all corners of the country,“ said a Taliban statement posted on its website.

Kategorie: Allgemein

Soldat Joe Glenton steht vor Gericht – weil er nicht nach Afghanistan will

Am 5. März steht der britische Soldat Joe Glenton vor dem Militärgerichtshof in den Merville Barracks in Colchester -weil er sich geweigert hat in Afghanistan zu kämpfen. Joe Glenton droht eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren.
Joe Glenton trat 2004 der britischen Armee bei und wurde 2006 in Kandahar Afghanistan stationiert. Er setzte sich ab – wie 17 000 andere britische Soldaten seit dem Irak-Krieg. Zwei Jahre später stellte er sich und machte seine Verweigerung auf einer großen Friedensdemonstration in London am 24.10.2009 öffentlich. An der Demonstration der britischen Friedensbewegung nahmen über 10 000 Menschen teil. Joe Glenton hielt eine in der Presse vielbeachtete Rede und schrieb einen Brief an MP Gordon Brown „why I won’t return to Afghanistan“. Darin schreibt er:

The war in Afghanistan is not reducing the terrorist risk, far from improving Afghan lives it is bringing death and devastation to their country. Britain has no business there.
I do not believe that our cause in Afghanistan is just or right. I implore you, Sir, to bring our soldiers home.

Hier gibt’s den Brief und weitere Infos auch übersetzt.
Informationen zum Verfahren gegen Joe Glenton gibt es auf den Seiten der britischen Friedensbewegung „Stop the War coalition.
Protestfaxe können hier bequem über connection e.V. online verschickt werden.
Im diesem Jahr sind in den ersten beiden Monaten des Jahres 108 Soldaten der Interventionstruppen umgekommen. Im Vorjahr, mit 519 Toten das bislang blutigste Jahr für die Interventionstruppen, waren es in diesen beiden Monaten 49 Tote. Die Toten unter den Aufständischen und der Zivilbevölkerung zählt niemand.
Die Friedensdemonstration, auf der Joe Glenton in London sprach, wurde auch von den britischen Grünen unterstützt. Am selben Wochenende, als in London für den Frieden demonstriert wurde, berieten die deutschen Grünen in Rostock über die Afghanistanpolitik. Den Aufruf der britischen Grünen zur Demo und einen Brief an die Delegierten in Rostock von Farid Bakht „International Coordinator der Green Party of England & Wales“ findet man hier. Farid’s Beschreibung der Differenzen zwischen britischen und deutschen Grünen:

It is unfortunate that the German Green Party is at odds with the Green Party of England & Wales on the matter of war.

WA

RSSAbonnier' uns