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Afghanistan: Deutschland übernimmt Führung

Langsam werden die militärischen Planungen der westlichen Länder in Afghanistan für die Zeit nach 2014 klarer. Immer wieder witzig sind natürlich Meldungen mit Überschriften wird dieser: „600 bis 800 Soldaten bleiben nach Abzug“ (dpa 18.4.2013) Wenn Militärinterventionen in Zukunft Abzug heißen, könnte man natürlich auf entsprechende Expeditionsstreitkräfte in „Abzugstruppen“ umbenennen. Das mal so als PR-Vorschlag für die NATO bzw. die Bundeswehr.

Dass die westlichen Truppen in Wirklichkeit nicht abgezogen, sondern nur reduziert werden sollen, ist ja in Beiträgen der GRÜNEN FRIEDENSINITIATIVE schon öfters klargestellt worden. Auch soll der Militärstützpunkt in Mazar-el-Sharif natürlich nicht geschlossen werden.

Die GRÜNE Bundestagsfraktion hatte jahrelang verlangt, die Bundesregierung solle eine eigene Abzugsplanung vorlegen. Kaum tat sie dies – und wir wissen ja, ein Abzugsplan ist in Wirklichkeit jetzt immer maximal ein Reduktionsplan – , beklagte der Abgeordnete Omid Nouripour: „Auf einmal kann sie einen eigenen Plan vorlegen. Bisher hieß es immer, das ging nur im Konzert mit den USA.“ (19.4.2013)

Wie ist das zu erklären? Mit Wahlkampf und öffentlichem Druck, wie Omid Nouripour meint? Doch wohl nicht wirklich, denn der Afghanistankrieg ist öffentlich doch kaum noch Thema.

Was ist in der Substanz passiert? Der deutsche Verteidigungsminister de Maizière hat eine offizielle Größenordnung des zukünftigen Kontingents bekannt gegeben. Diese beträgt „600 bis 800“, weil das gesamte NATO-Kontingent 8.000 bis 12.000 betragen soll. Der deutsche Anteil beliefe sich dann also bei der kleinsten Lösung auf 7,5%. Dieser Prozentsatz ist fast doppelt so hoch wie aktuell (ca. 4.000 von 100.000 = 4%)! Dies ist ein Indiz, dass die deutsche Bedeutung beim Afghanistan-Einsatz größer werden soll. Das korrespondiert mit de Maizières angekündigter Bereitschaft, „ab 2015 als Führungsnation befristet auf rund zwei Jahre Verantwortung für den nördlichen Teil des Landes zu übernehmen“ (dpa 18.4.2013). Natürlich ist Deutschland auch jetzt schon eine Führungsnation in Afghanistan. Aber der Führungsanspruch ist gewachsen. Deutschland läuft nicht hinter anderen her und macht mit, sondern übt Druck aus und versucht, die anderen NATO-Länder auf die eigene Linie zu bringen. Diese lautet so: „Wir wollen dazu beitragen, dass es bei der beschriebenen Planung auch bleibt. Manche meinen, 8.000 bis 12.000 Soldaten seien zu viel. Das finden wir nicht.“ (taz 25.4.2013)

Die Motivation, den Militäreinsatz in Afghanistan fortzusetzen, ist eigentlich schon 1992 in den damaligen von Minister Rühe verantworteten „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ perfekt beschrieben worden: „Wenn … der Frieden gefährdet ist, muss Deutschland auf Anforderung der Völkergemeinschaft auch militärische Solidarbeiträge leisten können. Qualität und Quantität der Beiträge bestimmen den politischen Handlungsspielraum Deutschlands und das Gewicht, mit dem die deutschen Interessen international zur Geltung gebracht werden können.“ Um Mädchenschulen und dergleichen geht es nicht so sehr. Das hatte Plagiator Guttenberg, ein anderer Vorgänger de Maizières, ehrlich zugegeben: Am 12.2.2010 ließ er sich in einer Phönix-Sendung so vernehmen: Es sei Ziel des deutschen Engagements, dass Afghanistan kein Rückzugsgebiet für Terroristen sei und fügt hinzu, „es sei selbstkritisch (zu) sagen: Haben wir nicht Gründe nachgeschoben, um in schwierigen Momenten auch mal eine Anerkennung unserer Bevölkerung zu bekommen? Natürlich ist es unbestreitbar wichtig, dass man Kindern hilft, dass man Frauen hilft in ihren Rechten und all jenen. … Aber das waren Gründe, die nachgeschoben wurden.“

Dankbar muss man de Maizière dafür sein, dass er im taz-Interview vom 24.4.2013 ein Tabu gebrochen hat, indem er den NATO-Einsatz in Afghanistan mit dem sowjetischen verglich: „Ein Negativbeispiel ist die Sowjetunion: Sie ist 1989 ersatzlos aus Afghanistan rausgegangen und sagt uns heute sehr offen und deutlich, dass das ein Fehler war.“ Nun gibt es die Sowjetunion zwar seit über 20 Jahren nicht mehr und kann so gesehen nichts mehr sagen, aber seien wir nicht kleinlich. Denn im Jahre 2007 wurde die Grüne Friedensinitiative von Jürgen Trittin noch so zur Ordnung gerufen: „Paralleln zur sowjetischen Besatzungszeit, die mehr als 1 Million Afghanen und 15.000 sowjetischen Soldaten das Leben gekostet hat, sind ebenso fehl am Platze wie Vergleiche mit der Situation im Irak.” (Jürgen Trittin in einem Schreiben an Wilhelm Achelpöhler vom 9.7.2007)

Uli Cremer

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