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Grüne fordern Stopp aller Waffenlieferungen nach Afghanistan

...allerdings nicht am 26.2.2010 im Bundestag, wenn über den Antrag der Bundesregierung abgestimmt wird, mehr Waffen und mehr Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Bald sollen die Interventionstruppen mehr als 150 000 Soldaten umfassen.
Den Stopp der Waffenlieferungen forderten die Grünen 1988. Der Bundeshauptausschuss der Grünen, seinerzeit das höchste Gremien zwischen den Bundesdelegiertenversammlungen, hatte diesen Beschluss auf seiner Sitzung am 7./8.5.1988 gefasst. Ab Mai 1988 begann die Sowjetunion mit dem Abzug ihrer offiziell 100.300 Soldaten aus Afghanistan. Die Grünen verurteilten die

Praxis der Vereinigten Staaten im Rahmen ihrer Waffenlieferungen (1987: 660 Mio Dollar) besonders die islamischen Fundamentalisten-Gruppen zu unterstützen.

Von diesen Islamisten hatten die Grünen seinerzeit keine gute Meinung:

Nach allen vorliegenden Informationen scheinen innerhalb des afghanischen Widerstands die islamischen Fundamentalisten die stärkste Gruppe zu sein. Deren inhumane, aus dem benachbarten Iran nur zu gut bekannten Rachevorstellungen lassen befürchten, daß dem afghanischen Volk nicht Normalisierung und Befriedung, sondern weiteres Leid, Bürgerkrieg und Rachejustiz bevorstehen.

Da lagen die Grünen mit ihren Befürchtungen ziemlich richtig.
Heute sind die Fundamentalisten von gestern, die bereits seinerzeit von den USA finanzierten Warlords der afghanischen Mudschaheddin, Bündnispartner der NATO und „stabilisieren“ ihre Provinzen, wie etwa der Gouverneur der Provinz Balkh Mohammed Atta Nur.
Wie dieser mit seinen politischen Gegnern umgeht, das hat der Journalist Marc Thörner in zwei lesenswerten Reportagen im Deutschlandfunk dargestellt:„Wir respektieren die Kultur“ und „Mord unter deutschem Schutz“. Welches Interesse der Westen an der Zusammenarbeit mit solchen „lokalen Machthabern“ hat, in welcher historischen Tradition eine solche Politik steht, das stellt Thörner in einem Aufsatz für die u.a. vom ehemaligen SPD Bundestagsabgeordneten Niels Annen herausgegebene linkssozialdemokratische Zeitschrift „spw“ dar.

Heute steht die Zusammenarbeit mit solchen Figuren und die Bewaffnung von Milizen ehemaliger Mudschaheddin ganz hoch im Kurs der US Politik. Aber auch der Politik der Bundesregierung, wie die Leipziger Volkszeitung am 19.11.2009 berichtete:

Die Bundesregierung will darauf drängen, dass bei der weiteren militärischen Befriedung in Afghanistan so wenig wie möglich mit Präsident Hamid Karsai und so viel wie möglich mit selbständig agierenden Provinzgouverneuren „unter Einbeziehung gemäßigter Taliban“ zusammen gearbeitet werde. „Wir müssen zu einer Verlagerung von der Zentrale in die Provinzen kommen“ kündigte ein zuständiges Regierungsmitglied im Gespräch mit der „Leipziger Volkszeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) an.

Den Beschluss der Grünen aus dem Jahr 1988 gibt hier bei uns.(Quelle: Archiv „Grünes Gedächtnis“ der Böll Stiftung – Vielen Dank)

Welche Lehre ziehen die grünen Abgeordneten des Jahres 2010 wohl daraus, dass die Grünen 1988 recht hatten?

WA

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Luftangriffe auf Initiative der Bundeswehr in Afghanistan

Die Bundeswehr hat allein im Jahr 2009 37 mal den Einsatz von US-Kampfflugzeugen in Afghanistan angefordert. In neun Fällen kam es dabei zu einem Einsatz von Waffen. Das ergibt sich aus der Antwort von Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung auf eine Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, die im Bundestagsprotokoll vom 27.1.2010 auf S. 1550 nachlesbar ist. Bemerkenswert unpräzise die weiteren Ausführungen des Staatssekretärs:

Bei diesen 9 Einsätzen ging es im Regelfall aber nicht, wie das dem Duktus Ihrer Frage vielleicht entnommen werden könnte, um das Töten von Menschen,

Womit sich zum einen die Frage stellt, in welchen Fällen es ausnahmsweise – keine Regel ohne Ausnahme -doch darum ging und in welchen Fällen, als es eigentlich nicht darum ging, doch getötet wurde. Und genau diese Frage stellt Ströbele:

Wie viele Menschen sind denn bei den Waffeneinsätzen, die Sie eingeräumt haben, „vernichtet“ worden? Ich benutze dieses Wort nicht, weil ich es so gerne ausspreche, sondern weil das offenbar der Sprachgebrauch der Bundeswehr ist. Das entnehme ich der Didaktik des Oberst Klein.

Die Antwort des Staatssekretärs:

(Dazu) ist mir eine Zahl nicht ersichtlich. Ich bitte darum, dass ich die nachreichen kann. Bisher hat es da, soweit ich das sehe, keine Tötungen gegeben. Aber ich sage das unter dem Vorbehalt der nochmaligen detaillierten Prüfung, über die ich Sie zeitnah informieren werde, Herr Kollege Ströbele.

Am 11.2. berichtet Ulrike Winkelmann in der taz

Allein bei einem Angriff mit einer Hellfire-Rakete im Juli 2009 wurden demnach fünf gegnerische Kämpfer getötet und zwei verwundet. Die entsprechenden Zahlen Toter und Verwundeter bei den weiteren acht Einsätzen habe das Verteidigungsministerium „trotz Zusage bisher noch nicht“ geliefert, kritisierte Ströbele. Vier Einsätze waren im November 2009, also auf jeden Fall nach dem fatalen Luftangriff am 4. September.,

Wir werden berichten.

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Zu Guttenberg: Frauenrechte sind nur „nachgeschobene Gründe“ für den Krieg

>Verteidigungsminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg dürfte sich allmählich für Grüne zu einem echten Ärgernis entwickeln. Über seine Politik ärgern sich Alle. Ganz besonders dürften sich aber jene Grüne über die beherzten Äußerungen des Ministers ärgern, die sich die Beteiligung Deutschlands an den NATO – ISAF Truppen als eine Veranstaltung zur Durchsetzung der Menschen- und Frauenrechte vorstellen, die man noch einige Zeit fortsetzen möchten.
Während der stellvertretende grüne Fraktionsvorsitzende Frithjof Schmidt im Bundestag von einem „Stabilisierungseinsatz“ spricht, nennt zu Guttenberg das glatt „kriegsähnliche Zustände“ und äußert sein Verständnis dafür, wenn man das sogar „Krieg“ nennt.
Doch damit nicht genug. Jetzt erklärt zu Guttenberg auch noch den Kampf für Menschenrechte in Afghanistan zu einer nur „nachgeschobenen“ Begründung. In der Sendung des öffentlich-rechtlichen Nachrichtensenders Phoenix „66. FORUM PARISER PLATZ Deutschland im Krieg? – Die Bundeswehr im Auslandseinsatz“ vom 12.2.2010 erklärt zu Guttenberg es sei Ziel des deutschen Engagements, dass Afghanistan kein Rückzugsgebiet für Terroristen sei und fügt hinzu, es sei

selbstkritisch (zu) sagen: haben wir nicht Gründe nachgeschoben, um in schwierigen Momenten auch mal eine Anerkennung unserer Bevölkerung zu bekommen. Natürlich ist es unbestreitbar wichtig, dass man Kindern hilft, dass man Frauen hilft in ihren Rechten und all jenen. … Aber das waren Gründe, die nachgeschoben wurden. Der eigentliche Grund damals war diesen Rückzugsraum zu verhindern …

Offene Worte. Und wenn zu Guttenberg Selbstkritik im Hinblick auf die „nachgeschobenen Gründen“ für angebracht hält, dann dürfte klar sein, welche Bedeutung diese „Gründe“ in Zukunft haben.
Wer es sehen und hören möchte: die Sendung ist bei Phoenix als Videostream und beim Deutschlandfunk als Audiodatei abrufbar (Zitat bei 13.min).
„Kindern zu helfen“ „Frauen in ihren Rechten zu helfen“, das sind für zu Guttenberg nur opportunistische Annäherungen an die öffentliche Meinung, die allerdings nicht „zielführend“ sind. Eine Ahnung von dieser Politik der Bundesregierung vermittelte auch Frithjof Schmidt in der Bundestagsdebatte am 10.2.2010.

Worum geht es in Afghanistan? Geht es um einen mi­litärischen Sieg über die Taliban? Geht es noch um un­verzichtbare Menschen- und Frauenrechte oder nur noch um Stabilität um fast jeden Preis? Geht es also darum, die Taliban, und zwar jeder Couleur, im Rahmen einer politischen Lösung an der Regierung zu beteiligen?

Doch einerlei worum es eigentlich in Afghanistan geht, die Position der Grünen Bundestagsfraktion steht fest, wie Frithjof Schmidt sogleich mitteilt:

Lassen Sie mich für meine Fraktion sagen: Wir stehen zu einem Engagement der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan, und wir unterstützen ISAF als Stabilisie­rungseinsatz im Rahmen der Vereinten Nationen. Das gilt auch weiterhin.

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Wie Tom Koenigs den Krieg erklärt

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Warum führt Deutschland Krieg in Afghanistan?
Darüber muss sich der grüne Bundestagsabgeordnete Tom Koenigs immer wieder mal mit Demonstranten streiten, wie er in einem Interview in der Welt am Sonntag vom 14.2.2010 erläutert:

Da kämpft niemand für seine strategischen Interessen oder um Rohstoffe. Das ist übrigens der Punkt, wo ich mit Demonstranten immer wieder in Diskussionen komme. Die sind da falsch informiert. Rohstoffe gibt es in Afghanistan kaum, und militärisch können die USA heute alles auch von Flugzeugträgern und U-Booten aus machen. Dafür braucht man keine Militärbasen mehr.

Da hat Tom Koenigs recht. Es ist leider in der Friedensbewegung ein weit verbreiteter Irrtum, sich die heutige Kriege damit zu erklären, dass sich da mal wieder ein Staat Rohstoffe unter den Nagel reißen möchte oder eine Pipeline bauen möchte. Wer den Imperialismus in der Gestalt des 19. Jahrhunderts sucht, wird ihn in der heutigen Welt nicht finden. Und wer seine Ablehnung von Krieg nur so zu begründen vermag, dem gehen schnell die Argumente aus.
Aber was ist nun der Grund für die deutsche Kriegsbeteiligung? Da bietet Tom Koenigs im Welt-Interview folgende Erklärungen:

Es geht darum, eine gewählte Regierung zu schützen, die auf Grundlage einer Verfassung und der Menschenrechte agiert.

„Eine gewählte Regierung schützen“? Ein Argument mit nur sehr begrenzter Überzeugungskraft, hat man diese Regierung bei Kriegsbeginn doch gleich mitgebracht und die Wiederwahl von Karzai war angesichts der Fälschungen eine Farce.
Aber Tom Koenigs hat noch mehr Argumente. Zunächst ein echter Klassiker:

Wir kämpfen, weil wir verhindern wollen, dass Terroristen-Nester uns hier bedrohen. Der Satz von Struck – „Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt“ – war zwar ein blöder Spruch. Aber ein Teil der Wahrheit ist er doch.

Sorgen um terroristische Anschläge in Deutschland gab es freilich nicht vor, sondern vor allem nach Beginn des Krieges und nicht zuletzt wegen des Krieges. Aber Tom Koenigs hat noch mehr Argumente:

Es gibt jedoch einen zweiten, wichtigeren Grund: Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Demokraten in Afghanistan. Man kann darüber streiten, ob wir diese Verantwortung immer und überall haben. Aber: In Afghanistan haben wir sie nun einmal übernommen. Und darum müssen wir uns ihr stellen. Die Auseinandersetzung, die in Afghanistan und anderswo geführt wird, ist die zwischen Fundamentalisten und liberalen Demokraten. Wir müssen unser Gewicht für die Demokraten in die Waagschale werfen.

Das kann man so verstehen: „Wir machen weiter, weil wir angefangen haben.“ Der Grund für den Krieg ist der Krieg. Aber Tom Koenigs sagt mehr: es ist ein Feldzug für die Demokratie und Menschenrechte. Da ist es an der Zeit einmal an einen Politiker zu erinnern, der in der gegenwärtigen Afghanistan Diskussion gerade bei den Grünen in Vergessenheit zu geraten droht: Ex-Außenminister Joschka Fischer. In seiner Rede im Bundestag am 8.11.2001 erläuterte er die Gründe für den Bundeswehreinsatz besser als mancher Friedensdemonstrant:
Zunächst hatte Fischer keinerlei Probleme damit, das Ganze beim Namen zu nennen:

Es ist eine Entscheidung, die auf die Frage gründet: Krieg oder Frieden? Es ist d i e zentrale Entscheidung.

Dann stellt er klar, dass das entscheidende Motiv für eine Beteiligung an dem Krieg nicht Menschenrechte und das Elend der Menschen in Afghanistan sind:

Und so furchtbar es ist: Es gibt so etwas wie eine pazifistische realpolitische Konsequenz. Wir können nicht überall humanitär intervenieren, das Elend zwar sehen, unser Bestes mit endlichen Mitteln versuchen aber nicht allerorts etwas dagegen tun.
Wir sind betroffen; ich meine das mit tiefem Ernst. Aber wir können nicht überall eingreifen. Auch das himmelschreiende Unrecht in Afghanistan ist nicht der hinreichende Grund für die Abwägung aller Möglichkeiten, (…)

Es ging und geht also nicht um die Beseitigung „himmelschreienden Unrechts“ und die Verteidigung von Menschenrechten. Worum dann? Fischer blieb die Antwort nicht schuldig – einmal weil:

seit dem 11. September von Afghanistan in Verbindung mit al-Qaida und Bin Laden eine Gefahr für den Weltfrieden und damit auch für uns ausgeht.

Die Kernfrage waren für Fischer nicht die Menschenrechte, er formulierte sie wie folgt:

Die entscheidende Frage – das ist die Kernfrage – , vor der wir stehen und um deren Beantwortung wir uns nicht drücken können, ist – man mag viel über die Strategie, die die USA eingeschlagen haben, diskutieren und sie meinetwegen auch kritisieren; die USA tun das selbst-: Können wir in dieser Situation, in der die Bevölkerung und die Regierung der Vereinigten Staaten angegriffen wurden, unseren wichtigsten Bündnispartner, der auf diesen Angriff antwortet und sich gegen diesen Angriff auf klarer völkerrechtlicher Grundlage zur Wehr setzt, allein lassen, ja oder nein? Diese Entscheidung hat dieses Haus zu treffen.“

Kernfrage des Krieges war für Fischer mithin das Bündnis mit den USA.

Wenn diese Entscheidung mit Nein beantwortet wird, wird das weitreichende Konsequenzen für die Bundesrepublik Deutschland, für deren Sicherheit und deren Bündnisfähigkeit haben

Das Bündnis mit den USA ist für Fischer natürlich kein Selbstzweck, sondern die einzige Möglichkeit für Deutschland und Europa an der Gestaltung der Ordnung in der Welt teilzuhaben – der ganzen Welt versteht sich:

Der Rückzug der Ersten Welt in den Unilateralismus – die USA haben ihn Schritt für Schritt vollzogen – ist durch die Anschläge vom 11. September unterbrochen worden. Für mich ist eine der Lektionen des 11. Septembers, dass die USA nicht wieder in den Unilateralismus zurückgestoßen werden dürfen. Wer das nicht einsieht, der verkennt, dass die USA gemeinsam mit Europa eine große Chance haben, Konflikte zu lösen, und der begreift nicht, dass Friedenspolitik im 21. Jahrhundert vor allen Dingen multilaterale Verantwortungspolitik bedeutet, dass wir nie wieder einen Rückzug der reichen Welt zulassen dürfen wenn man vor der Entscheidung steht, ob man militärisch handeln soll oder nicht, ist es meistens schon zu spät, dass wir uns vielmehr im Rahmen einer präventiven Friedenspolitik mit der Lösung der Probleme der Dritten Welt, insbesondere in Asien und Afrika, beschäftigen müssen ich betone: präventiv, nicht militärisch und dass die Länder der reichen Welt das gemeinsam tun müssen. (…)

Diese Rede von der weltweiten „Verantwortung“ ist die wohlklingende Formulierung eines politischen Anspruchs – auf weltweite Gestaltungs- und Ordnungsmacht. Aber nur gemeinsam mit den USA kann Deutschland und die EU wenigstens etwas an der Gestaltung der Ordnung der Welt teilhaben. Fischer warnte: wird das Bündnis mit den USA gefährdet, droht machtpolitische Einflußlosigkeit:

Die Entscheidung „Deutschland nimmt nicht teil“ würde auch eine Schwächung Europas bedeuten und würde letztendlich bedeuten, dass wir keinen Einfluss auf die Gestaltung einer multilateralen Verantwortungspolitik hätten. Genau darum wird es in den kommenden Jahren gehen.

Auch aus Koenigs Sicht ist eine solche Politik unabdingbar, wenn es um die Regierung einer der größten Wirtschaftsmächte der Welt geht. Sollte die SPD das nicht einsehen, droht ihr die „Regierungsunfähigkeit, wie Tom Koenigs angesichts der von der SPD (im Gegensatz zu den Grünen) beschlossenen Ausstiegsfristen mahnend feststellt.:

Welt am Sonntag: Wird die SPD weiterhin halbwegs geschlossen hinter dem Afghanistan-Engagement Deutschlands stehen?
Koenigs: Wenn sie nicht ihre Regierungsfähigkeit aufgeben will, sollte sie das.

Womit dann schon mal gleichzeitig von Tom Koenigs erklärt wird, was man sich unter Demokratie vorzustellen hat: Demokratie ist, wenn sich das Volk über die Außenpolitik streiten darf, aber sichergestellt ist, dass an der Regierungspolitik nichts verändert wird.
Fischers Nachfolger im Amt – der heutige Außenminister Westerwelle – , hatte am 8.11.2001 wie folgt formuliert:

Aber letzten Endes erwarte ich ganz persönlich, dass sich kein Abgeordneter des Deutschen Bundestages in dieser Frage zum Resonanzboden von Stimmungen macht, sondern dass er diese Entscheidung aus sich selbst heraus verantwortungsbewusst und mit Festigkeit trifft.Wenn wir in dieser Frage nur das Echo von Stimmungen wären, dann würden wir vielleicht auf Parteitagen oder da oder dort von irgendwelchen Gruppen begeistert gefeiert werden, aber wir würden unserer Verantwortung nicht gerecht.

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Junge Männer ohne Perspektive

Außenminister Westerwelle hat in der Bundestagsdebatte am 10.2.2010 zum neuen Afghanistan Mandat ausgeführt:

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Es geht darum, diejenigen anzusprechen, deren Gefolgschaft die Macht der Taliban und der Terroristen erst ausmacht. Wir wollen die Mitläufer von dem harten terroristischen und fundamentalistischen Kern trennen. Diese Mitläufer sind junge Männer ohne Perspektive, die meist weder lesen noch schreiben können, die für ein paar Dollar bereit sind, zur Waffe zu greifen.

Der frühere grüne Bundestagsabgeordnete Winni Nachtwei hatte dazu in einem Interview mit Stephan Löwenstein von der FAZ in dessen blog schon konkrete Vorschläge gemacht:

Man sollte den Vorschlag von General Vollmer sehr ernst nehmen, 2500 zusätzliche Polizisten mit deutschen Mitteln zu bezahlen. Denn Kundus rutscht weg und ist mit den jetzigen Kräften nicht zu halten. Auch mehr Isaf-Soldaten würden nicht die Lösung bringen. Es ist eine sehr schnelle Aufstockung der Polizei nötig. Die afghanische Regierung ist aber dazu im Norden nicht bereit.

Wie teuer das wäre hat Winni Nachtwei auch durchgerechnet:

Wenn Deutschland 2500 Polizisten für Kundus finanzieren würde, würde das nach meiner Rechnung neun Millionen Dollar für zwei Jahre kosten.

Rechnen wir kurz nach: 9 Mio Dollar sind 6,54 Mio EUR macht pro Jahr 3,27 Mio EUR. Dann hat man bei 2500 Polizisten einen Aufwand für Ausrüstung, Lohn, Logistik von 1308 EUR pro Jahr und Mann, oder pro Tag von rund 3,60 EUR. „Polizist“ zu sein in Afghanistan, das ist nicht ungefährlich:
Der Guardian nennt folgende Zahlen für das Jahr 2008 aus dem Innenministerium der Islamischen Republik Afghanistan:

According to the Ministry of the Interior, 1,290 policemen were killed last year and 2,393 wounded – 4.5% of the official total.

und fügt hinzu, dass diese Zahlen nach Schätzungen des EU Beauftragten Ettore Sequi zu niedrig sind:

But Sequi, in a note to the EU’s foreign policy chief, Javier Solana, warned that the percentage of policemen killed could be more than double that because the official number of police is grossly inflated by staff who only exist on paper for the benefit of corrupt officials who collect their salaries.
The so-called „shadow police“ problem means that the proportion of officers killed „might be rather closer to 10%“, Sequi warns.

Stellt sich also die Frage, ob sich wirklich Menschen finden, die für nicht einmal 4 EUR pro Tag einen Job übernehmen, bei dem die Wahrscheinlichkeit ein Jahr heil zu überleben bei 90% liegt.
Die Frage stellte Löwenstein auch Winni Nachwei:

Könnte man auf die Schnelle überhaupt so viele geeignete Bewerber rekrutieren?
Diese Frage habe ich auch gestellt. Klar, das ist ein Problem, aber (da) war General Vollmer zuversichtlich, gerade wegen der Arbeitsmarktsituation dort.

Die Armut ist also groß genug. Das Angebot von weniger als 4 EUR auch? Bei Michael Moore finden wir einen Artikel aus der Londoner Times:

The Taleban is known to pay about $10 (£5.95) a day to recruit local fighters.

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Unterschriftensammlung für taz-Anzeige


Liebe Freundinnen und Freunde,

die Bundesregierung möchte weitere 850 SoldatInnen in dem Krieg nach
Afghanistan schicken. Darüber wird in den nächsten Wochen der Bundestag entscheiden. Und wie bei den vergangenen zwei Bundestagsabstimmungen wollen wir aus diesmal im Vorfeld mit einer Anzeige in der taz ein Signal für ein „NEIN“ zum Krieg setzen.

Wann, wenn nicht jetzt ist die Zeit dafür gekommen? Es ist leider nicht
uns Grünen, sondern der EKD Ratsvorsitzenden Käßmann und dem katholischen Bischof Algermissen zu verdanken, dass eine innenpolitische Debatte über den Krieg in Gang gekommen ist. Grüne Politiker sind leider
als Kritiker dieser Kirchenleute in Erscheinung getreten, Ralf Fücks bei Bischöfin Käßmann, Omid Nouripour bei Bischof Algermissen. Umso wichtiger, dass wir uns zu Wort melden.

Für den folgenden Text suchen wir deshalb UnterstützerInnnen:
Bitte meldet Euch bis zum 20.2. mit Vorname, Name und KV ggfs Funktion bei:

aufruf@gruene-friedensinitiative.de

Die Anzeige kostet Geld. Deshalb bitten wir alle, die dazu in der Lage
sind, um einen finanziellen Beitrag. Das Konto findet Ihr unten.

Bereits bei den vergangenen Bundestagsabstimmungen haben wir uns zu Wort gemeldet. Mehr als 100 Grüne haben mit ihrer Unterschrift und einem
finanziellen Beitrag eine Anzeige in der Größe einer 1/4 Seite der taz
ermöglicht.

Den aktuellen Stand der Unterschriftensammlung findet ihr hier.

Herzliche Grüße

Wilhelm Achelpöhler, Uli Cremer

NEIN ZUR AUSWEITUNG DES AFGHANISTAN-KRIEGS!

Nach acht Jahren Krieg ist Afghanistan endlich ein Thema für die innenpolitische Debatte geworden – dank der mutigen Worte der Ratsvorsitzenden der EKD, der Landesbischöfin Käßmann. Auch in der katholischen Kirche regt sich Widerstand: Der Fuldaer Bischof Algermissen fordert einen Abzug der Soldaten aus Afghanistan.

Die Bundesregierung und die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten halten dagegen unverdrossen am Kriegskurs fest: Bei der Afghanistan-Konferenz in London, die die US-Kriegsstrategie bestätigte, sagte Deutschland die Entsendung weiterer 850 Soldaten zu. Das Bundeswehr-Kontingent soll dieses Jahr auf insgesamt 5.350 wachsen – eine Steigerung von fast 20%. Die Anzahl der westlichen Truppen soll von jetzt 110.000 auf 150.000 erhöht werden.

Gleichzeitig werden die zivilen Hilfsprojekte noch stärker militärisch eingebunden. Zwar ist viel von „Übergabe an die Afghanen“ die Rede, doch geht es dabei nur um mehr Gewalt: mehr Militär, mehr paramilitärische Polizei, mehr Waffen für Milizen.

Von “Demokratie und Frauenrechte” träumen die einen, die anderen von einem “starken Deutschland”, das ein Wörtchen mitzureden hat, wenn sich die USA an die Gestaltung der “Neuen Weltordnung”machen. Wieviele Menschen müssen noch sterben, bis diese Träumereien der deutschen Politik beendet sind?

Doch wie jedes Jahr ist der Kern des diesjährigen „Strategiewechsels“ in Sachen Afghanistan: mehr Truppen! Die Bundesregierung lehnt es konsequent ab, einen Abzugstermin zu nennen. Der Krieg soll fortgesetzt werden, bis er gewonnen ist. Statt mit den militärischen Gegnern wird nur mit den afghanischen Freunden verhandelt. Dieser Ansatz hat noch nie zu einem Waffenstillstand geführt oder gar einen Krieg beendet. Leider findet diese Politik im Bundestag noch nicht die breite Opposition, die nötig wäre.

Wir erwarten von den GRÜNEN Abgeordneten, dass sie die beantragte Erweiterung des Bundeswehr-Einsatzes im Bundestag ablehnen. Die richtige Antwort auf die Kriegspolitik der Bundesregierung ist ein klares NEIN und nicht ein verdruckstes “so nicht”! Ein solches NEIN erwarten wir von den grünen Bundestagsabgeordneten.

Wir möchten, dass die GRÜNEN Abgeordneten sich auf die Hauptsache konzentrieren: Es ist zweitrangig aufzuklären, warum Minister Guttenberg seine Position zu dem Kundus-Bombardement verändert hat und was Kanzlerin Merkel wann gewusst hat. Am wichtigsten ist, dass der westliche Krieg in Afghanistan beendet wird und überhaupt keine Luftangriffe mehr stattfinden. Wir brauchen keine Verbesserungsvorschläge für die Kriegsführung der NATO und deren zivile Begleitung. Gefragt ist immer dringender Opposition gegen den Afghanistan-Krieg – im Parlament und auf der Straße.

Der kurzfristige Abzug der NATO sowie der anderen westlichen Truppen aus Afghanistan ist friedenspolitisch alternativlos. Die richtige politische Entscheidung wäre jetzt, sofort mit dem Truppenabzug zu beginnen, so dass der letzte NATO-Soldat Weihnachten 2010 Afghanistan verlassen hat. Dabei sollte Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen. Es gibt für die Soldaten in Afghanistan nicht mehr zu tun als die Koffer zu packen. Solch ein Signal würde die anderen NATO- Staaten, in denen wie in Deutschland die Mehrheit der Bevölkerung den Krieg ablehnt, bewegen, ihre Truppen ebenfalls abzuziehen.

Wir freuen uns, dass auch die englischen GRÜNEN entschieden gegen den Afghanistan-Krieg sind und den Abzug der britischen Truppen fordern.

Wir unterstützen alle Soldatinnen und Soldaten, die von ihrem Grundrecht auf Verweigerung des Kriegsdienstes Gebrauch machen.

Die Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen fordern wir auf: beteiligt Euch an den Aktionen der Friedensbewegung!

Herunterladen mit bisherigen UnterzeichnerInnen.
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„Moderate Taliban“ an die Regierung?

Thomas Ruttig berichtete in der taz über einen “Versöhnungsplan mit Taliban”. So neu ist das nicht, der Präsident der Islamischen Republik Afghanistan Karzai hatte schon früher den “afghanischen Taliban” eine Zusammenarbeit angeboten – in Abgrenzung zu den “ausländischen Taliban”. Dieses Angebot schloss selbst Taliban-Führer Mullah Omar ein – nicht aber die arabischen Al-Kaida-Kämpfer.

Doch unterdessen werden andere Gruppen der Aufständischen bereits in die Regierung eingebunden. Faheem Dashty, Chefredakteur der unabhängigen Zeitung “Kabul Weekly”, ein früherer Mitarbeiter von Ahmed Shah Masoud, der am 9.9.2001 einem Al Kaida Attentat zum Opfer fiel, wies in einem Gespräch mit Marc Thörner in der Zeitung “Die Aktion Nr. 214 darauf hin, dass bereits heute Teile der Islamistischen Gruppe von Hekmatyar in die Regierung Karsai integriert sind:

Die meisten Schlüsselmitglieder der Hekmatyar-Gruppe sind bereits in der Regierung gelandet. Der Kultur- und Informationsminister ist einer von ihnen. Der Generalstaatsanwalt in ein anderes Mitglied der Hekmatyar-Islamisten. Elf Provinzgouverneure stammen aus der Hekmatyar-Islamisten-Partei. Das ist dieselbe Partei, die mit den Taliban verbündet ist und gegen die Regierungstruppen und ihre internationalen Verbündeten kämpfen.

Auch bei der Bildung einer neuen Regierung soll sich nach den Vorstellungen von Präsident Karzai daran wenig zu ändern, wie man diesem Bericht von Thomas Ruttig über die von Karzai vorgeschlagenen Minister entnehmen kann:

Secondly, it looks as if Hezb-e Islami and Jamiat-e Islami (the latter party closer to the opposition than to the Karzai camp) are more prominently present

Ruttig weist darauf hin, dass mit Abdul Hadi Arghandiwal als designiertem Wirtschaftsminister und Arsala Jamal, als Minister für “Tribal Affairs” vorgesehen, weitere Mitglied der Hekmatjar-Partei in die Regierung einziehen sollen.

Wie kommentierte dies noch der afghanische Journalist Faheem Dashty?

„Nach der Zeit der Mudschaheddin und der Taliban entwickelt sich in Afghanistan zur Zeit die dritte Art des Fundamentalismus.” Und alle drei Varianten, sagt Dashty sarkastisch, seien vom Westen gefördert worden. “Oder genauer: die letzte wird es gerade.” Marc Thörner, Krieg am Hindukusch Die Aktion 214 Seite 69.

Auf Thörners Ende Februar im Nautilus Verlag erscheinendes Buch “Afghanistan Code Reportagen über Krieg und Fundamentalismus” darf man gespannt sein.

Wilhelm Achelpöhler

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Ralf Fücks und seine Frauenrechtlerin aus Afghanistan


Ralfs Fücks, Vorstand der Böll Stiftung hatte in einem Offenen Brief die EKD Vorsitzende Bischöfin Käßmann wegen ihrer Neujahrspredigt hart angegangen. Grünen KritikerInnen hielt er u.a. einen “Brief afghanischer Frauen” entgegen, die sich anläßlich der Bundestagsabstimmung zum ISAF Mandat für eine Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes aussprachen: Ralf Fücks wörtlich:

“… empfehle ich den … beigefügten Offenen Brief afghanischer Frauenrechtlerinnen zur Frage der Mandatsverlängerung für die ISAF-Truppen. Vielleicht beeindruckt das mehr als meine Argumente. Wir haben als Stiftung ein Büro in Kabul und arbeiten vor Ort mit Menschenrechtsgruppen, Parliamentarierinnen und lokalen Projektpartnerinnen zusammen.”

Die erste Unterzeichnerin des Briefes ist:
Shah Gul Rezai, Abgeordnete im Parlament der Islamischen Republik
Afghanistan
Zu ihren Vorstellungen von Frauenrechten äußerte sich Frau Shah Gul
Rezai im Zusammenhang mit dem Schiitischen Familiengesetz am 16. April 2009 auf einer Pressekonferenz in Kabul so:

”If anyone has criticism, they can discuss the issue logically, not emotionally. We have consulted scholars and religious people while approving the law. We don’t see anything that’s against women’s rights.”

Einen Tag vor dieser Pressekonferenz demonstrierten in Kabul Frauen gegen dieses Familiengesetz. Und bei Tagesschau.de konnte man lesen:

Hunderte Männer haben in Kabul eine Demonstration afghanischer Frauen gegen das umstrittene geplante Familiengesetz gestoppt. Dabei wurden die Demonstrantinnen mit Steinen beworfen. Das Gesetz hatte international für Empörung gesorgt.

Worum geht es bei dem Gesetz,

“das Frauen in Afghanistan nach Ansicht von Menschenrechtlerinnen sogar weniger Rechte einräumt als unter den Taliban” Spiegel-online?

In Artikel 132 des Gesetzes heißt es zum Beispiel, wie man bei Spiegel-online weiter nachlesen kannn:

“Die Frau ist verpflichtet, den sexuellen Bedürfnissen ihres Mannes jederzeit nachzukommen.” Wenn der Mann nicht auf Reisen sei, habe er mindestens jede vierte Nacht das Recht auf Geschlechtsverkehr mit seiner Frau. Ausnahmen kämen nur bei Krankheiten der Frau in Frage. Ähnlich mittelalterlich hört sich auch Artikel 133 an. Darin ist festgehalten, dass Ehemänner ihre Frauen von jeder “unnötigen” Beschäftigung abhalten können…Nur aus medizinischen oder rechtlichen Gründen kann die Frau das Haus ohne das Einverständnis des Ehemannes verlassen.

Was ist davon zu halten, wenn die in Kabul mit einem Büro vertretene und daher bestens informierte Böll Stiftung, der diese Positionen der Abgeordnete Frau Shah Gul Rezai kaum verborgen geblieben sein können, hierzulande mit der Unterschrift dieser Politikerin, für die weitere Unterstützung des Krieges wirbt und sie gleichzeitig als “Frauenrechtlerin” vorgestellt? Früher nannte man das Kriegspropaganda.
Was kritisierte Ralf Fück noch an Bischöfin Käßmann? Richtig, es war

“die zur Routine gewordene Unart, im Brustton der höheren Moral politische Handlungsanweisungen zu erteilen.”

Wilhelm Achelpöhler

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