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Ein Imperialist des 21. Jahrhunderts

Bundespräsident Köhler hat nun doch mit seinen Äußerungen zu Außenhandel und Krieg Aufsehen erregt. Genau mit jenen Passagen, die der Deutschlandfunk zunächst nicht im Wortlaut verbreitete, wohl aber wir. Doch der ehemalige IWF-Direktor ist kein Imperialist aus dem 19.Jahrhundert. Er erklärt den Zusammenhang von Kapitalismus und Krieg zeitgemäß.

Der Präsident meint, es gelte

„zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen.“

Köhler stellt damit einen Zusammenhang zwischen Außenhandel und Militäreinsätzen her. Außenhandel ist für Köhler offenbar eine Sache von Interessengegensätzen, zu deren Lösung im Notfall der Einsatz des Militärs notwendig ist.
Beim Handel kann der Vorteil der einen Seite der Nachteil für die andere sein. Wer Zeitung liest weiß: dabei ist der Titel des „Importweltmeisters“ nicht allzu beliebt. Doch Handel ist nur gesichert, wenn trotz dieses Gegensatzes der Partner vertragstreu bleibt. Auch der Verlierer muss weiter zur Kooperation bereit sein. Und weil kein „Aufseher“ mit weltweitem Gewaltmonopol ist Sicht ist, muss „Stabilität“ und die „Geltung des Rechts“ gesichert werden. Mit wirtschaftlicher Macht aber im „Notfall“ eben mit dem Einsatz des Militärs. Daher streben alle Staaten nach militärischer Macht – auch wenn sie wie Deutschland von „Freunden“ umgeben sind. Manchmal können die Interessen so widersprüchlich sein, dass sie durch Gewalt geklärt werden müssen. Das wäre allerdings ein „Notfall“. Diesen Zusammenhang von Wirtschaft und Militär erkennt Präsident Köhler im Unterschied von Omid Nouripour, der beklagt

„Köhler legt die Axt an die Legitimation der deutschen Auslandseinsätze“, sagte der Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour der WELT. „Das Kerngeschäft der Auslandseinsätze sind die Stabilität und nicht etwa der Außenhandel.“

Anders als im „Notfall“ ist im Normalfall bereits die Aussicht auf den möglichen Einsatz militärischer oder auch wirtschaftlicher Macht ausreichend. So streben alle Staaten nach der Fähigkeit zur Dominanz, wirtschaftlich oder auch militärisch, um nicht selbst dominiert zu werden. Diesen Anspruch auf Dominanz sahen die USA in der Vergangenheit in Vietnam oder Nicaragua gefährdet und führten dort Krieg, weniger weil es dort Öl oder andere Reichtümer zu erobern galt.
Dieses Ringen um Dominanz wirkt sich bis in die Energiepolitik aus: der Ausbau von Biogas in Deutschland hat sehr viel mit Sorge um eine Abhängigkeit von russischem Gas zu tun. Und selbst beim Irak-Krieg ging es den USA weniger um den Zugang zu irakischem Erdöl, dem Irak unter Saddam Hussein wurde der Verkauf des Öls auf dem Weltmarkt ja geradezu untersagt, sondern eher darum, den auf der Verfügungsmacht über das Öl beruhenden Anspruch des Irak auf Machtpolitik zu brechen.

Mächte, die allein zu Machtpolitik nicht in der Lage ist, schließt sich in Militärbündnissen zusammen. Die Bundeskanzlerin beschrieb dies in ihrer Regierungserklärung am 22.4.2010 so:

„Wir sind eingebunden in die Partnerschaft mit den Verbündeten in der Europäischen Union und der NATO. Alleine vermögen wir wenig bis nichts auszurichten. In Partnerschaften dagegen schaffen wir vieles.“

Köhler nannte zwei Beispiele, bei denen der Einsatz von Gewalt erforderlich sein kann: zur Sicherung von Handelswegen oder um geordnete und geklärte Verhältnisse in einzelnen Regionen zu schaffen. Blickt man sich um, stellt man fest: auch hier hat der Präsident recht. Um eine stabile Region ging es der NATO auf dem Balkan. Und in Afghanistan ist Deutschland dabei, um dort für „Sicherheit“ zu sorgen und den USA die Ordnung der Region nicht allein zu überlassen. Um sichere Handelswege geht es am Horn von Afrika, um militärischen Potenzen geht es beim Atomprogramm des Iran. Die Fähigkeit eigenständiger militärischer Einsätze demonstrierte die EU bei den Wahlen im Kongo.
Von einem Plädoyer für eine „klassischen Kanonenbootpolitik“ ist unser Präsident Köhler weit entfernt. Der ehemalige IWF Direktor weiß aber: wer vom Krieg spricht, darf über den Welthandel nicht schweigen. Oder: die Interessen, die Deutschlands Wirtschaft weltweit hat, sind von einem solchen Gewicht, dass sie der militärischen Durchsetzung bedürfen können. Wer den Imperialismus nur in der Form des 19. Jahrhunderts sucht, mit dem Kampf um den abgeschotteten Zugang zu Kolonien und deren Märkten und Rohstoffen wird ihn im 21. Jahrhundert nicht mehr finden. In den Zeiten der globalen Märkte geht es mehr darum, wer dessen Regeln bestimmt. Darin kennt sich der ehemalige IWF Direktor offenbar besser aus, als mancher seiner Kritiker, er weiß: der weltweite Handel ist kein Gemeinschaftswerk.
Der Präsident ist mit dieser Aufklärung

allen in den Rücken gefallen, die den Einsatz im Bundestag beschlossen haben.

wie die Süddeutsche Zeitung beklagt. Bravo!

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