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Wegen Ukraine-Krise: NATO-Eigentor beim Afghanistan-Krieg

von Uli Cremer (2.4.2014)

logoAm 1.4.2014 tagte das Hohe Westliche Gericht in Form der NATO-Außenminister und befand, Russland habe mit der Annexion der Krim Völkerrecht verletzt, gegen das Grundlagendokumente des Euro-Atlantischen-Partnerschaftsrates der NATO (in dem Russland Mitglied ist) und die Grundakte NATO-Russland verstoßen. Was den an sich völlig korrekten Vorwurf des Völkerrechtsbruchs betrifft, ist es eigenartig bis gewöhnungsbedürftig Derartiges aus dem Mund von NATO-Chef Rasmussen zu hören. Niemand anders als die NATO selbst hatte mit dem Kosovokrieg 1999 eben dieses 15 Jahre zuvor getan. 2003 unterstützten auch einige europäische Regierungen, u.a. die dänische unter Ministerpräsident Rasmussen, den völkerrechtswidrigen Irakkrieg der USA und beteiligten sich an der „Koalition der Willigen“. Insofern wird seitens der NATO auf eine gewisse Amnesie der Öffentlichkeit spekuliert.

Das Vertrauen zu Russland als Basis für Kooperation welcher Art auch immer sei nun nicht mehr gegeben. Umgekehrt hatte die NATO in den letzten 20 Jahren wenig zur Vertrauensbildung Richtung Moskau beigetragen. Die eigene Einflusszone wurde nach Osten vorgeschoben, russische Vorschläge jeder Art ignoriert. Wie die „Vertrauensbildung“ in Russland wahrgenommen wurde, kann man in den einschlägigen Reden Putins vor dem Bundestag 2001, in München 2007 oder auch in seiner Krimrede 2014 nachlesen. Eine Beziehung auf Augenhöhe war natürlich auch der NATO-Russland-Rat nie, dort wurden den russischen Vertretern nur die vorher gefassten Beschlüsse der NATO verkündet. Dieser „Dialog“ wurde von den NATO-Außenministern nicht beendet, sondern quasi zur Bewährung ausgesetzt: „kann fortgesetzt werden, wenn nötig“. Möglicherweise ist dieses Gremium aber der russischen Regierung inzwischen herzlich egal.

Als Strafe wurde von den NATO-Außenministern festgesetzt, die zivile und militärische Kooperation der NATO mit Russland zu suspendieren. Nun fragen sich Viele, die nicht wissen, dass Russland seit 1994 mit der NATO über die „Partnerschaft für den Frieden“ verbündet ist: Welche Kooperation denn eigentlich? Abseits der Grundsatzdokumente erstreckte sich die Zusammenarbeit auf gemeinsame Militärmanöver, gemeinsame Militäroperationen (z.B. bei der Piratenjagd vor Somalia) und nicht zuletzt auf die logistische Unterstützung, die Russland für den NATO-Afghanistankrieg leistet(e).

Konkret geht es um die so genannte Nordroute, über die ein erheblicher Teil des Nachschubs (zeitweise 1/3 der Gesamtmenge) fließt und die über russisches Gebiet verläuft. 2011/2012 hatte die NATO monatelang nur diese Landroute zur Verfügung oder musste auf den besonders teuren Lufttransport ausweichen. Denn Pakistan hatte die kostengünstigere Hauptroute nach der Bombardierung eines Grenzpostens durch die NATO monatelang gesperrt. Außerdem kam es seit Beginn des Krieges immer wieder zu Anschlägen auf LKWs mit NATO-Gütern in Pakistan. Vor diesem Hintergrund „baute die Nato die alternativen Verbindungswege über die nördlichen Anrainerstaaten Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan aus. Dazu werden zum Teil Wege genutzt, die Moskau während der sowjetischen Invasion angelegt hatte.“ (FAZ 16.5.2012) Auch eine Eisenbahnstrecke von Usbekistan zur NATO-Hauptstadt in Nordafghanistan, Masar-e-Sharif, ist seit 2011 in Betrieb.

Zwischenzeitlich wurde sogar der Plan verfolgt, der NATO zusätzlich als Umschlagsplatz einen Flughafen im russischen Uljanowsk (der Geburtsstadt Lenins) zu überlassen. Gegen die Proteste der Kommunistischen Partei verteidigte Putin seinerzeit das Vorhaben: „Wer nicht wolle, dass russische Soldaten an der Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan kämpfen müssten, dem bleibe nichts übrig, als der NATO zu helfen.“ (FAZ 11.4.2012) Allerdings entschied sich die NATO nach ersten Probetransporten gegen das Projekt.

Doch mit alldem soll nun Schluss sein. Insofern wird die NATO-Front am Hindukusch, an der (Stand 1.4.2014) immer noch 51.178 SoldatInnen tätig sind, durch den aktuellen NATO-Beschluss in Mitleidenschaft gezogen. Die beabsichtigte Truppenreduktion auf 8.000 bis 12.000 SoldatInnen bis Ende 2014 kann nun wohl nicht im beabichtigen Umfang erfolgen, da logistisch nicht umsetzbar. Oder es müsste allerlei schweres Gerät zurückgelassen werden. Zumindest die Zeitpläne geraten durcheinander.

Der russische Vize-Premierminister Rogosin (früher russischer Vertreter bei der NATO, heute auf der US-Sanktionsliste) sagte vor fünf Jahren einmal, „entweder trage die Allianz den Sieg davon, was gegenwärtig kaum wahrscheinlich sei, oder die Nato werde noch auf absehbare Zeit in Afghanistan bleiben und die Kämpfer der Taliban, von Al Qaida und anderen Terrorgruppen auf sich ziehen… Am wahrscheinlichsten sei jedoch, dass sich die Nato bald aus Afghanistan zurückziehe – und dann werde es für Russland gefährlich. Ein Rückzug der Nato würde von allen Extremisten, die sich in und um Afghanistan tummeln, als Einladung aufgefasst, den Kampf über die Grenzen Afghanistans hinaus nach Norden zu tragen… Um sich schließlich gegen Russland zu wenden… Das sei der Grund, weshalb Russland ein ‚objektives Interesse‘ am Erfolg des Westens in Afghanistan habe…“ (FAZ 28.1.2009)

So hätte für Russland die Annexion der Krim einen Zweitnutzen: die NATO bliebe mit größerer Truppenstärke als geplant auch nach 2014 in Afghanistan und diente dabei den russischen Interessen!

Die aktuelle NATO-Entscheidung, die zivile und militärische Zusammenarbeit mit Russland zu suspendieren, muss man wohl als klassisches Eigentor bezeichnen.

Uli Cremer (Grüne Friedensinitiative)

Hamburg, 2.4.2014

 

Lesetipp: Auf der Hauptseite der GRÜNEN FRIEDENSINITIATIVE findet sich der Artikel Die Krim und die NATO-Präsenz

Zur pdf-Datei des Blog-Beitrags geht es hier:

GFI_NATO_RUS_Eigentor_02042014_v1

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