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Neueste Enthüllung im Syrienkrieg: Assad und Al Qaida sind eins!

Der neueste PR-Schlager im Syrienkrieg ist die Story, Assad und Al Qaida bzw. in Syrien kämpfende Jihadisten würden unter einer Decke stecken. Assad würde hier ein übles „Doppelspiel“ spielen. Gerade ist die entsprechende Verschwörungstheorie von Friederike Stolleis (Friedrich-Ebert-Stiftung) im taz-Kommentar vom 14.2.2014 frisch aufgewärmt worden.

Es erinnert an die von der Bush-Regierung vor 12 Jahren herbei fantasierte Verbindung des irakischen Diktators Saddam Hussein mit Al Qaida. Auch dessen wirkliche Verbrechen waren nicht genug, er sollte auch noch mit den Anschlägen vom 11.September 2001 assoziiert werden.

Worum geht es? Behauptet wird, dass Assad die Al Qaida Gruppen in Syrien bewusst nicht bekämpft, ja noch mehr: Er habe im Grunde dafür gesorgt, dass diese heute so stark werden konnten. Wie das? Ganz einfach: Das Assad-Regime habe 2011 die entsprechende Al Qaida-Kämpfer aus den syrischen Gefängnissen frei gelassen, damit diese den Widerstand gegen sein Regime islamistisch prägen könnten. Denn anfangs habe Assad ja niemand die Geschichte geglaubt, sein Regime würde gegen Terroristen kämpfen. Nun sei dieser Feind für jeden sichtbar, und damit das so bleibe, schone er die entsprechenden Gruppen bei der Kriegsführung. Ihre Hauptquartiere würden nicht angegriffen, schließlich freue sich Assad, dass die Al Qaida Gruppen die „guten“ Rebellen bekämpften. So seien diese in einen Zweifrontenkrieg verwickelt und würden geschwächt. Und Öl würde Assad den Jihadisten auch abkaufen.

Zwei Al Qaida-Gruppen sind am Syrienkrieg beteiligt: Die auf die gesamte Region ausgerichtete ISIL bzw. ISIS (»Islamischer Staat im Irak und in der Levante«) und die auf Syrien beschränkte Al Nusra. Wahlweise wird Assad der Komplizenschaft mit Beiden oder nur mit einer (nämlich: ISIL) geziehen. Die Reduktion erklärt sich dadurch, dass ISIL und al Nusra zuletzt auch gegeneinander kämpften. Die al Nusra, immerhin von den USA als Terrororganisation klassifiziert, ist aktuell also weiterhin mit der Freien Syrischen Armee (FSA), die als Organisation der „guten Rebellen“ gilt, verbündet – im Kampf gegen Assad und gegen die ISIL. -> Siehe hierzu auch: Genf-2: Ein Brahimi macht noch keinen Mandela

In Wirklichkeit, so geht die Erzählung regelmäßig weiter, seien die Einzigen in Syrien, die gegen terroristische Gruppen kämpften, die gemäßigten Rebellen, die FSA. „Kein Frieden mit Assad und al Qaida“ oder „Radicals are Assad’s best friends“ lauten die Artikelüberschriften von Anfang 2014. Sie stützen sich auf »an vielen Orten im Norden koordinierte Proteste gegen ISIL … unter dem Motto „Assad und ISIL sind eins“« und sind mit diesen solidarisch (Kristin Helberg). Wer den eingängigen Slogan erfunden und seine Verbreitung koordiniert hat, wird nicht so genau verraten.

In den Worten von Friederike Stolleis: »Es ist jedoch wichtig festzuhalten, dass nicht die Armee des syrischen Regimes, sondern die oppositionellen Milizen und die Zivilgesellschaft es sind, die sich dem Terror von Isis entgegenstellen.« Denn: »Beobachter berichten, dass die Hauptquartiere von Isis als Einzige nie vom Regime bombardiert worden seien.« (taz 14.2.2014)

Das „Doppelspiel“ von Assad wird durch die Behauptung untermauert, dass die ISIL fröhlich Öl an Assad verkaufe. Die entsprechende Erzählung beruft sich auf westliche geheimdienstliche Quellen: »“The regime is paying al-Nusra to protect oil and gas pipelines under al-Nusra’s control in the north and east of the country, and is also allowing the transport of oil to regime-held areas,” the source said. “We are also now starting to see evidence of oil and gas facilities under ISIS control.”« Das weiß der britische telegraph am 20.1.2014 zu berichten.

Die nahe gelegte Schlussfolgerung ist, dass die „gemäßigten“ Rebellen endlich mit allen, was sie brauchen, unterstützt werden müssen. In Wirklichkeit gibt es seit 2011 reichlich Waffenlieferungen, Militärausbildung und politische Unterstützung aus dem Westen. -> Details: Westliche Waffenexporte an syrische Rebellen

Franziska Brantner (GRÜNE Bundestagsabgeordnete) und Bente Scheller (Böll-Stiftung) mahnen: »Es sollte nicht vergessen werden, dass die meisten Jihadisten, die nach 2003 in den Irak reisten, mit Duldung oder sogar Hilfe des syrischen Regimes von Syrien aus eingereist sind und dass viele der Rückkehrer 2011 vom Regime aus den Gefängnissen entlassen wurden.« Was bedeutet, dass diese Kämpfer nach ihrer Rückkehr aus dem Irak verhaftet und in syrischen Gefängnissen interniert und gefoltert wurden. Sie waren also Gegner des syrischen Regimes und politische Gefangene. Entsprechend sei festgehalten: Ganz so eng und herzlich war die Beziehung zwischen Assad-Regime und diesen „Jihadisten“ offenbar nicht.

In der Tat hatte es in Syrien am 31.5.2011 eine Generalamnestie gegeben, bei der auch Hunderte politische Gefangene freigelassen wurden, die Jahre zuvor im irakischen Bürgerkrieg bzw. dort gegen die US-Besatzung gekämpft hatten. Weitere politische Gefangene kamen 2012 frei. Es ist allerdings nicht bekannt, dass die syrischen Aufständischen, die Exilopposition oder auch ihre SympathisantInnen bei der Böll- oder Friedrich-Ebert-Stiftung verlangt hätten, dass diese Personen, die schließlich ohne rechtstaatliche Verfahren in syrischen Folterknästen einsaßen, nicht freigelassen werden sollten. Vielmehr war die Freilassung inhaftierter Demonstranten und anderer politischer Gefangener genau Programm der Aufständischen. Insofern ist es unredlich, Assad für die Erfüllung der eigenen Forderungen verantwortlich zu machen und ihm zudem dabei noch strategischen Weitblick unterzuschieben. Mohammed Habash, ehemaliger syrischer Parlamentsabgeordneter und islamischer Gelehrter drückt sich zumindest etwas vorsichtiger aus: »Although there is no evidence that it was part of the regime’s plan, it is certain that the authorities knew it would happen.«

Die PR-Behauptung „Assad und ISIL sind eins“ soll darüber hinwegtäuschen, dass die syrische Opposition mit den islamistischen Gruppen verbündet war und auch heute teilweise noch ist. Auch mit dem ISIL. Auch mit der al Nusra. Diese brachten erfahrene Kämpfer aus Tschetschenien, dem Irak oder Libyen in den Aufstand ein und setzten dem Regime durch militärische Erfolge und Anschläge zu und erwarben sich dadurch Ansehen bei den anderen Rebellengruppen. Wenn sie nun ihre Kalifate errichten, geht es den FSA-Rebellen und ihren Unterstützern wie Goethes berühmtem Zauberlehrling:

Herr, die Not ist groß!

Die ich rief, die Geister,

Werd ich nun nicht los.

Gerade die westlichen SympathisantInnen der syrischen Opposition sollten einmal ihr Verhältnis zu den Islamisten klären und eine deutliche Grenze ziehen. Vielleicht ist mehr Äquidistanz zu den Konfliktparteien die beste Richtschnur im Syrienkrieg.

Uli Cremer

Hamburg 15.2.2014

 

Eine detaillierte Analyse zur aktuellen Lage rund um den Syrienkrieg hier:

Genf-2: Ein Brahimi macht noch keinen Mandela

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