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Fliegt de Maizière’s Verdummungskampagne jetzt auf?

Erleichterung im Verteidigungsministerium: Tausende verschwundene Bundeswehrsoldaten sind zurück!

Rekapitulieren wir die letzten Wochen: Minister de Maizière hatte seit Mai 2011 immer wieder behauptet, die Bundeswehr könne aktuell zu einem Zeitpunkt X nur 7.000 Soldaten in Auslandseinsätze schicken. Das wäre zu wenig, seine Bundeswehrreform sei notwendig, um die Zahl wenigstens auf 10.000 aufzustocken. Vor daher könne bei der Bundeswehr nicht gekürzt werden, diese sei ohnehin unterfinanziert.
Leider wollte in Parlament und Öffentlichkeit so gut wie niemand merken, dass hier eine clevere Verdummungskampagne gefahren wurde. Denn in Wirklichkeit hat de Maizière schon längst weit mehr als 10.000 Soldaten für diesen Zweck zur Verfügung. Wenn es also darum bei der Bundeswehrreform ginge, könnte man sich diese sparen.
Der Minister hatte einfach „vergessen“, zehntausende für Auslandseinsätze vorgesehene Truppenteile mitzuzählen. Insofern waren diese „verschwunden“. Konkret: Im Bundeswehr-Weißbuch 2006 ist nachzulesen, dass die Bundeswehr zwei Kategorien von Truppenteilen unterscheidet, die für Auslandseinsätze vorgesehen sind. Damals hatte die Bundeswehr 70.000 Stabilisierungskräfte und 35.000 Eingreifkräfte. Diese 105.000 Soldaten waren natürlich als Pool zu verstehen, aus denen jeweilige Auslandseinsätze bestückt werden konnten.
Wie in anderen NATO-Armeen sind davon 1/3 zu einem bestimmten Zeitpunkt einsatzfähig, das zweite Drittel ruht sich vom Einsatz aus und das dritte Drittel bereitet sich auf den nächsten Einsatz vor. Allein aus 35.000 Eingreifkräften konnte die Bundeswehr in den letzten Jahren also fast 12.000 Soldaten zum Einsatz bringen, nicht nur 7.000. Hans Rühle (ehemaliger Ministerialdirektor im Bundesverteidigungsministerium) informierte am 10.5.2011 in der FAZ („Die Bundeswehr kann mehr“) darüber, dass die Eingreifkräfte „inzwischen sogar von 35 000 auf 50 000 aufgestockt“ worden seien. Entsprechend kann die Bundeswehr aktuell fast 17.000 Eingreifkräfte einsetzen. Damit nicht genug, es gibt ja noch die Stabilisierungskräfte. Laut Rühle kann die Bundeswehr davon nur 7.000 parallel in den Einsatz bringen. Insgesamt hat die Bundeswehr Mitte 2011 demnach zeitlich parallel einsatzfähige Auslandstruppen in der Größenordnung 24.000!

Nun kam es so, dass die Verdummungskampagne, die fürs deutsche Publikum gedacht war, international Wirkung entfaltete und so nach hinten los ging. Die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) nahm die Zahl 7.000 zum Nennwert und verglich sie mit den zeitlich parallel einsatzfähigen Soldaten von Frankreich (30.000) und Britannien (22.000). Entsprechend titelte die Wirtschaftswoche: „Bundeswehr ist ineffizienteste Nato-Armee“. Jetzt steckte der Minister in einem Dilemma: Sollte er die Bundeswehr in Schutz nehmen und sagen, die EDA operiere mit nicht vergleichbaren Zahlen? Oder sollte er die Image-Demontage einfach schlucken? Er entschied sich für Lösung 1 und befand, da würden „Äpfel mit Birnen“ verglichen. „Die rund 7000 Bundeswehrsoldaten im Einsatz würden 20 000 bis 30 000 Briten und Franzosen gegenübergestellt, die einsatzbereit seien. Bei Deutschland seien deshalb zumindest noch diejenigen Soldaten dazuzuzählen, die für die Nato Response Force und EU-Battlegroup gemeldet seien.“ (FAZ 5.7.2011)

Das machen wir mal eben: Laut Weißbuch 2006 sind 18.000 Eingreifkräfte für die EU und 15.000 für die NRF assigniert, macht 33.000. Parallel einsatzfähig wäre davon natürlich wieder nur ein Drittel, also 11.000. Addiert man diese zu den 7.000, müsste de Maizière einräumen, dass die Bundeswehr zumindest 18.000 Soldaten zeitgleich einsetzen könnte. Wie geschildert, sind es eigentlich sogar 24.000, was durchaus auf dem Niveau der britischen und französischen Kapazitäten liegt.

Wir sehen: Lügen bzw. Verdummungskampagnen haben kurze Beine. Denn die von de Maizière könnte jetzt auffliegen. Dafür müssten Journaille, Forschungsinstitute, MilitärkritikerInnen, OppositionspolitikerInnen das Thema allerdings geistig durchdringen und aufgreifen. Das ist kein Selbstgänger. Die politische Forderung wäre zunächst einmal die nach einem rigiden Sparkurs für die Bundeswehr, und zwar mit Beginn sofort und nicht erst in ein paar Jahren (wie die Bundesregierung aktuell plant) bzw. zum St.Nimmerleinstag. Vielleicht könnte so verhindert werden, dass die Angriffsfähigkeit der Bundeswehr mittels der Bundeswehrreform weiter optimiert wird.

Bei dieser Aussicht vielleicht doch keine Erleichterung im Ministerium, sondern großes Zittern: Fliegt die Kampagne auf oder kann man sich in die Sommerpause retten?

Uli Cremer

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