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NATO als Wiederholungstäterin

Am 30.7.2011 hat die NATO Fernsehsenderanlagen in Libyen bombardiert und dabei nach libyschen Angaben 3 Techniker getötet und 15 weitere TV-Mitarbeiter verletzt. Die Bombardierung von Fernsehsendern ist leider seit 1999 (als beim Angriff auf den Belgrader TV-Sender 16 Menschen getötet wurden) offenbar integraler Bestandteil der NATO-Kriegsführung.
Freilich ist dieses „NATO-Gewohnheitsrecht“ durch das internationale Kriegsrecht untersagt. Im 1977er Zusatzprotokoll zur Genfer Konvention von 1949 lautet der entsprechende Artikel so:
Art. 52 Allgemeiner Schutz ziviler Objekte
1. zivile Objekte dürfen weder angegriffen noch zum Gegenstand von Repressalien gemacht werden. Zivile Objekte sind alle Objekte, die nicht militärische Ziele im Sinne des Absatzes 2 sind.
2. Angriffe sind streng auf militärische Ziele zu beschränken. Soweit es sich um Objekte handelt, gelten als militärische Ziele nur solche Objekte, die auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihres Standorts, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Verwendung
wirksam zu militärischen Handlungen beitragen und deren gänzliche oder teilweise Zerstörung, deren Inbesitznahme oder Neutralisierung unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen einen eindeutigen militärischen Vorteil darstellt.
3. Im Zweifelsfall wird vermutet, dass ein in der Regel für zivile Zwecke bestimmtes Objekt, wie beispielsweise eine Kultstätte, ein Haus, eine sonstige Wohnstätte oder eine Schule, nicht dazu verwendet wird, wirksam zu militärischen Handlungen beizutragen.

Genauso wenig, wie eine Schule bombardiert werden darf, weil der Lehrkörper das „Falsche“ unterrichtet, darf ein TV-Sender bombardiert werden, weil es das „Falsche“ berichtet.
Besonders grotesk ist natürlich, dass die NATO sich grundsätzlich bei ihren Kriegshandlungen auf einen UN-Sicherheitsratsbeschluss zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung beruft. Genauer gesagt, sollte eine Flugverbotszone eingerichtet werden. Inzwischen fliegen nur noch NATO-Flugzeuge herum, und diese haben laut libyschen Angaben durch ihre Angriffe inzwischen über 1.000 ZivilistInnen das Leben gekostet.
Während mutmaßliche Verbrechen von Gaddafi in Den Haag mit Elan verfolgt werden, ist natürlich nicht zu erwarten, dass gegen die Verantwortlichen bei der NATO die naheliegenden Anklagen erhoben werden.
Immerhin: Im Gegensatz zum Kosovokrieg 1999 beteiligt sich Deutschland an dem Libyen-Krieg nicht direkt. Es zeigt sich einmal mehr, wie richtig die deutsche Nicht-Zustimmung zur Kriegsermächtigung im UN-Sicherheitsrat war. Es wäre allerdings hier und jetzt hilfreich, wenn Deutschland über seine „Kriegsdienstverweigerung“ hinaus seinen internationalen Einfluss nutzen würde, die NATO-Angriffe zu beenden und für die Vermittlung einen Waffenstillstands zwischen den beiden Bürgerkriegsparteien etwas zu tun.

Uli Cremer

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