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Was heißt hier Abzug?

Der „Abzug“, von dem so viel die Rede ist, spielt sich wohl eher auf dem Papier als in der Realität ab. Er ist vor allem ein politisches Signal. Das macht ein Blick auf die tatsächlichen Zahlen der in Afghanistan eingesetzten Truppen von NATO und Bundeswehr deutlich.
Die ersten Einzelheiten des Antrags der Bundesregierung für das Afghanistan Mandat sind bekannt geworden. Erst mal bleibt alles beim Alten: die Obergrenze für die Bundeswehrsoldaten bleibt bei 5000 – zusätzlich ist weiterhin eine flexible Reserve von 350 weiteren Kräften vorgesehen. Die Bundesregierung ist

zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können

und will

jeden sicherheitspolitischen vertretbaren Spielraum für eine frühestmögliche Reduzierung nutzen, soweit die Lage dies erlaube und ohne dadurch unsere Truppen oder die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses zu gefährden.

Werden also bald weniger deutsche Soldaten am Hindukusch stehen? Kommt drauf an, wie man rechnet: die Höchstgrenze des Mandats liegt derzeit bei 5350 Soldaten. Die NATO veröffentlicht regelmäßig Zahlen zum Bundeswehreinsatz bezogen auf einzelne Stichtage. So sah es 2010 aus:

5.03.2010: 4335
16.04.2010: 4665
7.06.2010: 4350
6.08.2010: 4590
15.11.2010: 4341
14.12.2010: 4877

Man stellt fest: die Zahl der Soldaten schwankt nicht unerheblich. Mal sind es mehr, mal weniger. Die Höchstzahl von 5350 wurde 2010 nicht erreicht, die “Reserve” von 350 nicht in Anspruch genommen. Die SPD stellt deshalb am 11.1.11 in dem Positionspapier ihres Parteivorstandes fest:

Die flexible Reserve wurde im bisherigen Mandatszeitraum nicht in Anspruch genommen und offenbar nicht benötigt.

Das Ziel der Bundesregierung die Zahl der tatsächlich eingesetzten Soldaten zu verringern, dürfte also 2011 ohne weiteres erreicht werden können – immerhin hatte man auch 2010 vorübergehend die Zahl auch einmal reduziert. Und auf die “Reserve” von 350 Soldaten, die die Bundesregierung ohnehin nie eingesetzt hat, könnte ausdrücklich “verzichtet” werden. Man könnte sie auch erst einmal einsetzen und dann „abziehen“. Aber was hätte sich dann gegenüber 2010 geändert? Gar nichts! Der SPD scheint das aber zu reichen und sie will dem Afghanistan Mandat zustimmen – einschließlich der Reserve, deren Einsatz im Jahr 2011 zunächst einmal eine Erhöhung der eingesetzten Soldaten bedeuten würde. Weil in dem Antrag der Bundesregierung von einem Beginn des Abzugs die Rede ist, stimmt sie erst einmal zu, dass tatsächlich mehr Bundeswehrsoldaten eingesetzt werden können.

Gerade im Norden von Afghanistan kann keine Rede davon sein, dass sich die Zahl der NATO Soldaten dort verringern würde:
Hier die NATO Zahlen für den Bereich des RC North:

20.01.2007 3000
06.02.2008 4000
12.01.2009 4470
01.02.2010 5985
14.12.2010 11000

Die Steigerung im Jahr 2010 ist insbesondere auf 5000 zusätzliche US Soldaten im Norden Afghanistans zurückzuführen und die Zahl der Bundeswehrsoldaten deutlich übersteigt.
Zur Veranschaulichung eine Grafik mit den Zahlen der NATO Truppen im Norden Afghanistans:

Auch da könnte Spielraum für einen “Abzug” gegeben sein. Mit einem “Erfolg” oder einem “Sieg” hätte das wenig zu tun.
Und in den anderen Teilen Afghanistans? Auch dort hat es in jüngster Zeit erhebliche Steigerungen der Truppenzahlen gegeben:

So ist die Rede vom „Abzug“ eher ein politisches Signal: sie kann die GegnerInnen des Krieges beruhigen.
Wilhelm Achelpöhler

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